Idstein, 10. Juni 2023

 

DS 156/2023 Antrag zur Prüfung der Möglichkeiten, die Nutzung von Mehrwegverpackungen für Außer-Haus-Speisen und -Getränke im Idsteiner Stadtgebiet zu attraktivieren

 

Die Stadtverordnetenversammlung möge beschließen:

 

Beschluß:

Der Magistrat wird beauftragt, Möglichkeiten zu prüfen, die die Attraktivität der Nutzung von Mehrwegverpackungen beim Außer-Haus-Verkauf von Speisen und Getränken gegenüber der Nutzung von Einweggeschirr erhöhen.

Hierbei soll insbesondere, aber nicht nur, das Für und Wider der Einführung einer Verpackungssteuer abgewogen werden sowie der Rahmen der inhaltlichen wie zeitlichen Umsetzbarkeit abgesteckt werden.

Weitere Optionen, die alternativ oder zusätzlich zu einer Verpackungssteuer Lenkungswirkung zur vermehrten Nutzung von Mehrwegverpackungen im gastronomischen Betrieb versprechen, sollen ausdrücklich ebenfalls betrachtet werden.

Die Gesamtabwägung der sich bietenden Optionen wird den Gremien, bitte möglichst noch vor den Haushaltsberatungen für das Haushaltsjahr 2024, zur weitergehenden Beratung vorgelegt.

 

Begründung:

Seit 1. Januar 2023 gilt die gesetzliche Verpflichtung für Anbieter von Außer-Haus-Verzehr, Mehrwegverpackungen anzubieten.

In zahlreichen Städten ist daher frühzeitig ein Mehrweg-Verbundsystem aufgebaut worden, so auch in Idstein (vrgl. DS 144/2021 und DS 144/2021, sowie DS 264/2022).

Den Idsteiner Gastronomiebetrieben ist im Zuge des angebotenen Mehrweg-Verbundsystems mit „Vytal“-Mehrwegverpackungen bereits ein Teilnahme-Anreiz geboten worden, in Form einer finanziellen Unterstützung für 2022/2023, in Höhe einer Einmalzahlung von bis zu € 195,00 netto.

Dennoch ist die Teilnahme der ortsansässigen Betriebe an dem Mehrweg-Verbundsystem eher verhalten. Auch fällt auf, daß die Mehrzahl der gastronomischen Betriebe überwiegend und selbstverständlich Einwegbehälter für To-Go-Speisen und -Getränke verwenden. Mehrwegverpackungen werden nur auf gezielte Nachfrage, oft auch gar nicht angeboten, trotz anderslautender gesetzlicher Verpflichtung.

Dies wird auch in anderen Städten beobachtet. Eine Abnahme der Menge von Verpackungsmüll, die mit der Gesetzesnovelle beabsichtigt war, bleibt so unter dem gewünschten und erwarteten Maß.

Tübingen hat bereits zum 1. Januar 2022 eine kommunale Verpackungssteuer auf Einwegverpackungen im Gastronomiebereich eingeführt. Die Zahl der gastronomischen Betriebe, die Mehrweg-Geschirr anbieten, ist kurz vor und seit der Einführung dieser kommunalen Steuer steil angestiegen, ebenso die Zahl der tatsächlich genutzten Mehrwegbehälter.

Der sich aus einer Klage einer Tübinger McDonald’s-Filiale ergebende Rechtsstreit wurde am 25. Mai 2023 durch ein Grundsatzurteil des Bundesverwaltungsgerichts Leipzig zugunsten der Stadt Tübingen entschieden: In der Pressemitteilung hierzu wird eindeutig festgestellt, daß es sich entgegen der Ansicht der Vorinstanz bei der Verpackungssteuer um eine örtliche Verbrauchssteuer im Sinn des Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG handele, für deren Einführung die Stadt Tübingen zuständig war. Das Gericht kam weiter zu der Ansicht, daß die Verpackungssteuer einen klaren Zweck (Abfallvermeidung) hat und damit dasselbe Ziel wie der Bundesgesetzgeber verfolgt. Kommunale Steuern, die Einwegverpackungen verteuern mögen, sind nach Ansicht des Bundesverwaltungsgesetzes als Lenkungssteuern nicht durch bundesrechtliche Vorgaben zum Abfallgesetz ausgeschlossen.

Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes läßt sich von „Kommunal“ mit der Aussage zitieren: „Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ist zu begrüßen.“ Die Entsorgungskosten seien stark gestiegen und hätten die Kommunen über die Reinigung öffentlicher Straßen und Parks jährlich fast € 500 Millionen gekostet. Auch die Deutsche Umwelthilfe e.V. begrüßt das Urteil als richtungsweisen, da es Rechtssicherheit für alle Kommunen schafft.

Von beiden Instanzen wird erwartet (und auffordernd begrüßt), daß nunmehr möglichst zahlreich weitere Kommunen im gesamten Bundesgebiet dem Vorbild Tübingens nacheifern und eine kommunale Verpackungssteuer einführen.

Auszug aus HFWA Niederschrift vom 29.06.2023

Stadtverordnete Oestreich begründet den Antrag der ULI-Fraktion.

Bürgermeister Herfurth berichtet über das Grundsatz-Urteil des Bundesverwaltungsgerichts Leipzig zur Klage einer Tübinger McDonald’s-Filiale gegen die Erhebung einer Verpackungssteuer durch die Stadt Tübingen, welches seit dem 25. Mai 2023 vorliegt. Eine schriftliche Urteilbegründung steht bislang noch aus. Ebenso daraus resultierende Empfehlungen der kommunalen Spitzenverbände. Er empfiehlt, das bestehende Pfandsystem zu attraktiveren. Er teilt mit, dass das Angebot der Betriebe sowie die Nachfrage der Kunden derzeit noch gering ist. Er sieht hier eine Werbung bzw. Bewerbung des bestehenden Pfandsystems als geeigneteres Mittel an. Zum aktuellen Stand berichtet er, dass bisher nur vier Betriebe eine Förderung beantragt und erhalten haben. Im Mai wurden diese Betriebe gebeten, Ihre Erfahrungen mit dem System Vytal mitzuteilen. Die Einführung hat grundsätzlich gut funktioniert, in einem Fall gab es technische Probleme der Integration in den Online-Shop. Die Nachfrage und die Nutzungsbereitschaft der Kunden scheint jedoch äußerst gering zu sein. Im Newsletter der Hochschulstadt wurde nochmal auf die Fördermöglichkeit für die Gastronomiebetriebe hingewiesen. Daraufhin gab es keine Reaktionen. Ob alle Betriebe, die gesetzlich dazu verpflichtet sind, die Mehrwegalternative anbieten, ist nicht bekannt. Die Zuständigkeit der Ausübung der Kontrollen des Pfandsystems ist bisher in Hessen nicht geregelt. Er teilt mit, dass gemeinsam mit dem Wirtestammtisch nochmal eine Initiative gestartet werden soll. Er sieht es als geboten, die Bürgerinnen und Bürger (gemeinsam mit den Gastronomen) nochmals über die Möglichkeiten und Vorteile von Mehrwegsystemen zu informieren. Folgende Möglichkeiten wären hierzu denkbar:

  • Berichterstattung und Vorstellung der Betriebe in Idstein, die ein Mehrwegsystem anbieten
  • Kundenanreiz schaffen – viele Kunden schreckt vielleicht die digitale Variante „Vytal“. Hier könnte z.B. ein Testen der Mehrwegsysteme Abhilfe schaffen – die ersten 10 Tester erhalten einen Gutschein des jeweiligen Gastro-Betriebes oder eine Bonuskarte
  • Entwicklung einer Informationskampagne mit der Gastronomie.

Um das Für und Wider der Einführung einer kommunalen Verpackungssteuer und die weiteren Möglichkeiten einer Attraktivierung des Pfandsystems verwaltungsseitig in einer Gesamtabwägung darzustellen, müssen zunächst die schriftlichen Urteilsgründe des BVerwG, sowie die daraus resultierenden Stellungnahmen und Empfehlungen der kommunalen Spitzenverbände abgewartet werden. Ob diese noch so rechtzeitig vorliegen, dass eine Gesamtbetrachtung der Thematik und Abwägung vor den Haushaltsplanberatungen 2024 möglich sein wird ist fraglich, insbesondere vor dem Hintergrund der gesetzlichen Pflicht-Aufgaben (Grundsteuerreform und Umsetzung des § 2b UStG), die durch das Steueramt vorzubereiten und umzusetzen sind sowie in Anbetracht der zahlreichen Aufgaben und Veranstaltungen, die durch das Referat WSK vorzubereiten und umzusetzen sind. Bürgermeister Herfurth sagt zu, die Stellungnahme der Niederschrift als Anlage beizufügen.

Stadtverordnete Bohrer schlägt vor, für die Bürgerinnen und Bürger bekannt zu machen, welche Betriebe ein solches System bereits verwenden.

Stadtverordnete Dettloff sieht die Einführung einer Steuer nicht als sinnvolles Mittel an. Sie teilt mit, dass sich ihre Fraktion den Punkten 1 und 4 des Antrags anschließt und die Punkte 2 und 3 des Antrags ablehnen wird. An Stelle einer Steuer schlägt Sie vor, vorerst andere Anreize zu schaffen. Sie bittet darum, über die Punkte des Antrags einzeln abzustimmen.

Stadtverordneter Ott sieht aufgrund der Ausführungen von Bürgermeister Herfurth den Antrag der ULI-Fraktion als erledigt an. Er sieht das Pfandsystem als wichtig allerdings als aufwändig für kleinere Gastronomen an. Er schlägt vor, vorerst in den Dialog mit den Gewerbetreibenden zu treten und den Unternehmen die benötigte Zeit zu gewähren. Er stellt die Frage, mit welchem Aufwand die Einführung einer im Antrag genannten Steuer für die Verwaltung verbunden ist.

Bürgermeister Herfurth teilt mit, dass mit dem vorhandenen Personal derzeit keine Kapazitäten für die Einführung einer entsprechenden Steuer gegeben sind.

Stadtverordneter Zarda spricht sich gegen die Einführung einer Verpackungssteuer aus. Er plädiert dafür, die Akzeptanz bei den Nutzern durch geeignete Maßnahmen zu erhöhen. Er teilt mit, dass seine Fraktion den Punkt bezüglich der Verpackungssteuer ablehnen wird und die restlichen Punkte des Antrags aufgrund des Berichts durch den Bürgermeister als erledigt ansieht.

Stadtverordneter Dr. Dr. Abramenko schlägt vor, den Prüfantrag bis zur Vorlage der Urteilbegründung zurückzustellen.

Stadtverordnete Dettloff schlägt vor, den Antrag bis zum eigenen Wiederaufruf durch die antragstellende Fraktion zurückzustellen.

Stadtverordnete Oestreich stellt den Antrag bis zum eigenen Wiederaufruf zurück.

Update HFWA vom 27.10.2021

Beschluss: Stadtverordnete Oestreich stellt den Antrag bis zum eigenen Wiederaufruf zurück.