Zusammen die Demokratie stärken
Politik hat öffentlich zu agieren. Die Auseinandersetzung zwischen den Mandatsträger:innen hilft, alle Argumente, die hinter einer Abwägung stehen, in die Diskussion zu holen und für uns Bürger:innen klar und deutlich darzulegen.
Im Artikel 21 des Grundgesetzes heißt es unter anderem: “Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit.“ Mitwirken heißt nicht alleine bestimmen. Deshalb sind wir der Meinung, dass es erst demokratisch rund wird, wenn die Bürger:innen mitwirken können. Damit gewinnen alle: Die Kompetenz der Bürger:innen wird an den Beratungstisch geholt; und politische Entscheidungen werden für uns alle nachvollziehbar.
Wir Bürger:innen entscheiden, ob die Demokratie zunehmend entkräftet wird oder ob sie sich weiterentwickelt und den sich ändernden Zeiten anpasst. Wahlen alleine ersetzen keine realitätsnahe Bürgerbeteiligung. Gerade im kommunalen Bereich sind Wohnungsbau- und Stadtentwicklungsprojekte oftmals umstritten, besonders wenn es um Projekte der Innenentwicklung oder Nachverdichtung geht. Sie betreffen uns alle. Die gesetzlich vorgeschriebene Beteiligung, z.B. im Rahmen der Bauleitplanung, ist meist ungeeignet, um Widerstände auszuräumen. Je mehr Bürger:innen beteiligt werden, desto geringer ist die Gefahr, dass Einzelinteressen gegenüber dem begründeten Gemeinwohl übermäßiges Gewicht bekommen.
Aus einer Umfrage der Hessischen Landesregierung von 2014 ging bereits hervor, dass sich 78% der Befragten mehr Bürgerbeteiligung bei Entscheidungen vor Ort, in der eigenen Stadt, wünschen. Allerdings kommt es für eine stärkere Bürgerbeteiligung hauptsächlich darauf an, welche Bereiche von Veränderungen berührt werden und ob die Bürger:innen sich persönlich betroffen fühlen.
Das Wünschenswerte mit dem Machbaren in Einklang zu bringen, ist gerade und besonders beim Thema Bürgerbeteiligung herausfordernd. Das mag einer der Gründe sein, warum dieses Thema oftmals gar nicht erst angefasst wird.
Die ULI jedoch sieht Beteiligungsmöglichkeiten für Idstein, die wir zusammen mit den Bürger:innen politisch in die Tat entscheiden und umsetzen wollen.
Bürgerrat
Der Bürgerrat ist ein Demokratie-Instrument zur Lösung politischer Aufgabenstellungen. Er erlaubt und ermöglicht Menschen die aktive Teilnahme an politischen Prozessen, die sich im parteipolitischen Umfeld nicht zuhause fühlen.
Ein Bürgerrat arbeitet mit zufällig ausgewählten Bürger:innen, er beschäftigt sich mit konkreten Aufgabenstellungen, wird für jede Aufgabenstellung neu gelost, und er unterstützt die Politik mit Rat und Auftrag, ohne sich anzubiedern. Er hat das Ziel, einen Querschnitt der Bevölkerung abzubilden, und bringt greifbare Ergebnisse, die tatsächlich in die Politik einfließen.
Seine Stärken bestehen darin, daß das Losverfahren eine „Klientel“besetzung („die üblichen Verdächtigen“ Kraft Amt oder Funktion) verhindert. Auch erlauben kleine Diskussionsgruppen niederschwelliges und konstruktives Arbeiten. Die Unterstützung durch Expert:innen ermöglicht einen unkomplizierten thematischen Zugang. Die Gruppenarbeit bleibt unbeeinflusst von Medien und Mandatsträger:innen. Stattdessen fungiert die Stadtgesellschaft/Bürgerschaft als Wissenspool. So ergänzt ein Bürgerrat konkret, sach- und projektbezogen die vorhandenen Instrumentarien der politischen Korrektur (z.B. Bürgerbegehren).
Um das Prinzip des Bürgerrates umzusetzen, setzt sich die ULI ein für
- Integration von gesellschaftlichen Gruppen, die über die klassischen Instrumente weitgehend von politischer Beteiligung ausgeschlossen bleiben zum Beispiel Kinder, Jugendliche, Nicht-EU-Bürgern und Menschen mit Behinderungen
- Denkanstöße aus der (Er-)Lebenswelt aller Ortsteile
- Stärkung des bürgerlichen Engagements, auch über den Bürgerrat hinaus („Einstiegsdroge“)
- politische Bildung, denn ein Bürgerrat ist eine Möglichkeit, mit den Strukturen und Prozessen einer Demokratie aktiv und passiv vertraut zu werden
Leitfaden zur Bürgerbeteiligung
Planungen in Idstein müssen Bürger:innen nicht passiv zur Kenntnis nehmen. Insbesondere bei Planungen, die spürbar die Lebensumstände in unserer unmittelbaren Umgebung berühren und verändern, haben alle ein Wort mitzureden. Das gilt für den Wohnungsbau genauso wie für Grün- und Freiräume oder für Themen, die Kinder und Jugendliche betreffen.
Bürgerliche Beteiligung an Entscheidungsprozessen erweitert deren Inhalte um Daten, Fakten, Handlungsvorschläge, Ideen, Meinungen, Interessenäußerungen und Bewertungen der teilnehmenden Menschen und deren Interessenvertretungen. Bürgerbeteiligung bedeutet zwar Zusatzaufwand für Vorbereitung und Durchführung, aber auch Zusatzertrag an Ideen, Erkenntnissen und Bewertungen. Ein Leitfaden soll zur möglichst breiten Anwendung von Partizipation motivieren und bei der Durchführung von Beteiligungsverfahren unterstützen.
Die ULI setzt sich ein für einen Leitfaden zur Bürgerbeteiligung, um
- die Qualität der Planungsergebnisse zu erhöhen
- am tatsächlichen Bedarf vorbeigehende Investitionen zu vermeiden
- zum Interessensausgleich zwischen Verwaltung und Betroffenen oder zwischen verschiedenen Gruppen vor Ort beizutragen
- die Nutzung von öffentlichen Einrichtungen zu verbessern
- den pfleglichen Umgang mit öffentlichem Gut zu fördern
- das Interesse an bürgerschaftlichem Engagement auf eine breite Grundlage zu stellen
Bürgerhaushalt
Die Idee zum sogenannten Bürgerhaushalt stammt aus Lateinamerika, wo er als Mittel zur Bekämpfung der Korruption in Politik und Verwaltung etabliert wurde. In Deutschland gibt es mittlerweile ca. 300 Kommunen, die mit einer hier üblichen Spielart agieren, den sogenannten Bürgerbudgets oder auch „Kiezfonds“, bei denen ein bestimmter Betrag (Budget, Fonds) für das Quartier, den Kiez, den Ortsteil zur Bürger:innenprojekt-Finanzierung genutzt wird. Dabei muss das Gemeinwohlprinzip greifen!
Die Stärken eines Bürgerhaushaltes sind bestimmt durch die Transparenz im öffentlichen Diskurs, Mitbestimmung und Mitwirkung im Sinne direkter Demokratie. Der Bürgerhaushalt ist ein angebrachtes Mittel der Bedarfsfinanzierung in Kommunen mit vielen Ortsteilen und unterschiedlichen Kulturen und Bedürfnissen. Er hat geringen Umsetzungsaufwand und erlaubt die Sichtbarmachung sonst wenig oder schlecht wahrnehmbarer Gruppen von Bürger:innen, bezieht sachkundige und kompetente Bürger:innen ein und stärkt insgesamt den Gemeinsinn und das Gemeinwohl.
Die ULI setzt sich für einen Bürgerhaushalt ein, weil er zum Beispiel folgende positive Gemeinwohl-Aspekte hat:
- Stärkung der aktiven Teilnahme an der demokratischen Kommunalgestaltung
- erhöhte Akzeptanz von Entscheidungen
- erhöhte Problemlösungskompetenz durch Perspektiven- und Sachkunde-Bündelung
- erhöhte Produktivität und Effizienz der Mittelverwendung
- Erkennen und Heben von Einsparpotentialen
- dezentrale, regionale Lösungsprozesse („Lösungen auf Maß“ für einzelne Stadtviertel und Ortsteile)
- Stärkung des Prinzips „Soziale Stadt“
- Erhöhte Partizipationsgerechtigkeit durch leichte Beteiligung