Weitsicht – mal (fast) unpolitisch

von 22.07.20250 Kommentare

Es gehört zu den Traditionen unter dem Hexenturm, dass die gewählten Vertreterinnen und Vertreter der Stadt einmal im Jahr zu einem sogenannten parlamentarischen Ausflug zusammenkommen, um einander außerhalb des Protokolls zu treffen und fraktionsübergreifend besser kennenzulernen und auszutauschen.

Dabei ist es schöner Brauch, dass in einen der Stadtteile eingeladen wird, denn Idstein besteht bekanntlich nicht nur aus der Kernstadt – auch wenn manche:r daran immer mal wieder erinnert werden muß. Da bei diesen Ausflügen die Mitglieder der Ortsbeiräte eingeladen sind, erfährt man oft auf ungezwungene Weise viel Interessantes und politisch Relevantes über den besuchten, wie auch die anderen Idsteiner Orte und ihre Perspektiven und Bedürfnisse.

Dieses Jahr führte der Parlamentarische Ausflug nach Walsdorf mit seiner markanten Scheunenfront. Der Walsdorfer Ortsbeirat erläuterte kurz die Pläne für die neu zu schaffende Freizeitfläche am Sportplatz und richtete auch das Augenmerk der Anwesenden Mandatsträger:innen auf die Jugendraumproblematik – gerade aus Sicht der ULI ein wichtiges Thema, nicht nur für Walsdorf: Welche Angebote können den jungen Idsteiner:innen in ihrem Heimatdorf gemacht werden? Was hält sie am Ort?

Das Walsdorfer Vereinsleben stellte sich in Person von Andrea Schaus, Vorsitzende des Bürgervereins e.V., und ihrer perfekt vorbereiteten, hochinteressanten Ortsführung durchaus beeindruckend vor. Mit 1250 Jahren Geschichte und einer Vergangenheit als Kloster-Standort hat Frau Schaus einen tiefen Griff in den historischen Informationsfundus der Ortschaft tun können, der auch für Ur-Idsteiner:innen so manch Neues, bislang Unbekanntes bereithielt.

Die erste Etappe führte natürlich zum Wahrzeichen Walsdorfs, zum aus dem 14. Jh. stammenden Hutturm. Wer unternehmenslustig genug war (und das waren fast alle), stieg die Wendeltreppe des Turms empor hoch erklomm, durchaus abenteuerlich, über lange Leitern und durch enge Stiegen die Aussichtsplattform des Turmes. Was für ein Weitblick, der da als Belohnung wartete!

Frau Schaus erklärte (im Wortsinne: anschaulich) „von des Turmes Zinne“ Einzelheiten zu Geschichte und Entstehung von Walsdorf, da der Standort eine gute Sicht auf alle Straßen des historischen Ortskerns bietet. Wer weiß schon, und hat es selbst nachvollzogen, daß man von dort oben, den Bereich des ehemaligen Klosterbezirks erkennen kann? Das im 12. Jahrhundert gegründete Benediktinerkloster bestimmte die Geschicke Walsdorfs immerhin grob 500 Jahre lang, bis in die Mitte des 17. Jahrhunderts.

Der Hutturm selbst ist als ehemaliger Wachturm Bestandteil der Stadtmauer. Ja, Stadtmauer – denn im 14. Jahrhundert erhielt Walsdorf tatsächlich die Stadtrechte. Auch das ein Detail, das gerade die heutigen Kommunalpolitiker:innen fest im Hinterkopf verankern sollten – unser ULI-Hashtag #Idsteinhat12Stadtteile will genau dies fortlaufend bewußt machen: Politische Entscheidungen müssen alle Orts- oder Stadtteile gleichwertig denken und berücksichtigen!

Frau Schaus verstand es, ihr beeindruckendes, umfassendes Wissen anekdotenreich und höchst kurzweilig zu vermitteln – auch während der weiteren, nun wieder „bodennah“ fortgesetzten Ausflugs-Wanderung. Wir ULI-Teilnehmende bedanken uns ausdrücklich hierfür bei ihr!

Auch der traditionelle Ausklang bei einem zünftigen Picknick fand in historischer Kulisse statt: Einer der Stadtverordneten lud hierzu großzügig in den Innenhof seines historischen Scheunenfront-Gebäudes ein. Das Ambiente eignete sich offensichtlich vorzüglich, um über die partei- und fraktionspolitischen Grenzen hinweg miteinander ins Gespräch zu kommen – dem erklärten Ziel des traditionellen Parlamentarischen Ausflugs: Auch wenn es in den Sitzungen häufig etwas rau in Ton und Umgang miteinander zugeht, kam es während des Parlamentarischen Ausflugs zu etlichen Beweisen dessen, dass man sich auch bei konträren Positionen auch respektvoll mit anderen als der eigenen Position auseinandersetzen kann.

Wir ULIs werden diese wirklich schöne „außerparlamentarische“ Erfahrung jedenfalls als Bekräftigung unseres steten Bemühens um eine die Kolleg:innen aller Fraktionen achtende Debattenkultur mit in die Fortsetzung der politischen Arbeit (und Auseinandersetzung) nach der Sommerpause nehmen.