Zum 1. Juli 2018 wird die sogenannte HESSENKASSE, das Entschuldungsprogramm für durch Kassenkredite überschuldete hessische Kommunen, an den Start gehen.
In der vergangenen Woche gab es hierzu im hessischen Landtag eine Anhörung, nach deren Ende die Landtagsfraktion der FDP sich öffentlich mit Grundsatzkritik an der HESSENKASSE zu Wort meldete. Die Kritik überrascht nicht als solche, da in der Tat einige Parameter der HESSENKASSE nicht optimal gelöst scheinen. Das ist zum jetzigen Zeitpunkt aber ebenso wohlfeile wie müßige Kritik der FDP, denn die HESSENKASSE wird in jedem Falle kommen. Und es ist weitgehend klar, in welcher Form.
Ebenso klar ist, dass Kommunen wie Idstein klare Vorteile von ihrer Beteiligung an der HESSENKASSE haben – dafür aber auch einen ziemlich satten Preis zahlen müssen. Während die ULI daher begrüßt, dass sich Idstein am 22. März 2018 für die Teilnahme an der HESSENKASSE ausgesprochen hat, haben wir mit Befremden zur Kenntnis genommen, dass bislang niemand darüber nachzudenken scheint, wie die ca. EUR 590.000 erwirtschaftet werden können, die nach aktueller Prognose mehr als 7,5 Jahre lang jedes Jahr zusätzlich zu allen anderen Haushaltsbelastungen für den gewährten Schuldenschnitt fällig werden.
Wesentlich ist aus Sicht der ULI, dass die Verantwortlichen hier klar- und weitsichtig die Auswirkungen jeder möglichen Maßnahme analysieren – sonst droht ein langfristiger Standortnachteil für Idstein, verursacht durch von kurzfristigen Nöten getriebene Haushaltsplanung.
Vor allem die im HESSENKASSE-Zusammenhang aktuell noch umstrittene Gewerbesteuerumlage benennt eines der zentralen Themen zum Erhalt (oder sogar der Verbesserung) der Qualität Idsteins als Standort für Handel, Wirtschaft und Gewerbe:
Nachdem der Gewerbesteuerhebesatz zuletzt in 2017 angehoben wurde, darf Idstein auf keinen Fall ein weiteres Mal die Gruppe der Gewerbetreibenden unverhältnismäßig stark (über Gewerbesteuer wie Grundsteuer B) belasten, um den kommunalen Haushalt trotz HESSENKASSE-Zahlungsverpflichtungen ausgeglichen zu halten. Dies ließe die Prinzipien von Sozialsolidarität und Gleichbehandlung außer Acht und trüge auf nachgerade gefährliche Art dazu bei, dass Idstein als Wirtschaftsstandort massiv an Attraktivität verlöre. In der Konsequenz wäre mit fehlendem Zuzug und verstärkter Abwanderung von Gewerbebetrieben zu rechnen, was dann nicht erhöhte, sondern verminderte Gewerbesteuereinnahmen generierte. Das wäre der typische Beginn einer Abwärtsspirale des partnerschaftlichen Verhältnisses zwischen einer Kommune und ihren Gewerbetreibenden und ist unbedingt zu vermeiden, um keinen langfristigen Standortschaden für Idstein zu schaffen.
Die Deutsche Industrie- und Handelskammer wird seit vielen Jahren nicht müde, eine Alternative zur Gewerbesteuer dringlich zu empfehlen, die diese ersetzen kann und dabei signifikanten Mehrwert schafft: Eine gewinnabhängige Kommunalsteuer mit eigenem Hebesatz verbände das Angenehme mit dem Nützlichen, schon weil sie von allen wirtschaftlich Tätigen in Idstein zu zahlen wäre, also z.B. auch von allen Angehörigen der klassischen Katalogberufe wie Ärzten, Anwälten, Architekten, Steuerberatern und Apothekern, die zur heute gültigen Gewerbesteuer nicht beitragen.
Unternehmen leisten einen großen Beitrag zur Stärke der Wirtschaftsregion Hessen. Der Anteil der von den Unternehmen entrichteten Gewerbesteuer (Istaufkommen) am gesamten Realsteueraufkommen der hessischen Kommunen lag im Jahr 2016 bei 82 Prozent. Hinzu kommt der Beitrag der Unternehmen zum Aufkommen der Grundsteuer B.
Damit wäre die Steuerlast nicht nur gleichmäßiger, sondern auch breiter verteilt, was das Solidaritätsprinzip zwischen den verschiedenen Gruppen wirtschaftlich Tätiger stärkt und gleichzeitig nicht nur absolut höhere Realsteuerbeträge in die Stadtkasse spült; sondern zudem weniger starke jährliche Schwankungen zeigen wird als die heutige Gewerbesteuer mit ihrem komplexen Berechnungsregelwerk. Damit wäre ein ganz wichtiger Grundstein für eine wirklich verlässliche Prognostizierung im jeweiligen Haushaltsplan gelegt.
Selbstverständlich wird allerdings auch solche eine gewinnabhängige Realsteuer alleine nicht ausreichend sein, um die zusätzlichen Einkünfte zu erwirtschaften, die Idstein für die Finanzierung der HESSENKASSE jährlich aufbringen muss. Ergänzende Maßnahmen, die die Last auf die verschiedenen sozialen und wirtschaftlichen Gruppen der Stadtgesellschaft breit und nach jeweiligem Wirtschaftsvermögen paritätisch verteilt, werden notwendig sein. So wird man sicherlich auch über wenig populäre Entscheidungen sehr ernsthaft nachdenken müssen.
Um eine entsprechend breite Akzeptanz bei den Bürgerinnen und Bürgern zu bewirken, ist daher dringlich geboten, dass Politik und Verwaltung gemeinsam und mit einer Stimme klar und ohne Beschönigungen über die vor uns allen liegende Aufgabe sprechen. Öffentlichkeitsarbeit und Bürgerbeteiligung sind die Schlüssel für die Schaffung der in den kommenden sieben bis acht Jahren unabdingbar notwendigen Solidarität der gesamten Stadtgesellschaft. Darüber hinaus birgt die aktive Einbindung von sachkundigen Idsteinerinnen und Idsteinern die Chance für neue haushälterisch nutzbare Impulse.
Denn eines ist klar: Die neuartige Problemstellung durch die HESSENKASSE wird sich sicherlich nicht mit den alten Methoden wie Anhebung der Gebühren und Abgaben angemessen und zukunftsfähig adressieren lassen.
Stattdessen braucht Idstein jetzt den politischen Willen, gemeinsam mit allen sozialen Gruppen einen Weg zu finden, der die HESSENKASSE-Finanzierung über die bevorstehenden fast sprichwörtlichen sieben mageren Jahre ermöglicht.
Hierfür ist aktives Werben für die Akzeptanz auch vordergründig unpopulärer Maßnahmen notwendig, Hand in Hand mit sinnhaften innovativen Neuerungen beim Realsteuerinstrumentarium und bei der Haushaltsstrukturierung, auch auf der Ausgabenseite.
Wenn wir alle über politische und gesellschaftliche Grenzen hinweg zusammenarbeiten, als Idsteinerinnen und Idsteiner, die gerne in unserer Stadt leben und dafür auch temporäre Einschränkungen in Kauf zu nehmen bereit sind, dann wird die HESSENKASSE ihr Ziel in Idstein erreichen und neue städtische Handlungsspielräume für die Zukunft schaffen, ohne den Wohn- und Wirtschaftsstandort Idstein zu schwächen.