Ein Mann alleine erlässt Gesetze und Dekrete, ist oberster Richter und hat die Polizeigewalt inne – kaum vorstellbar?

So war es aber vor zweihundert Jahren im Herzogtum Nassau unter Adolph Wilhelm Carl August Friedrich von Nassau-Weilburg. In Folge der Märzrevolution im Jahr 1848 wuchs bei vielen Bürgern das Begehren diesen Absolutismus abzuschaffen und mehr Beteiligung zu erreichen, auch in der Stadt Idstein und so kam es am 10. Juni 1849 zum Idsteiner Demokratenkongress, also vor 175 Jahren.

Aus diesem Anlass wurde in Idstein nun der Tag der Demokratie gefeiert. U.a. wurde hierzu eine Stadtführung angeboten, welche ein Schlaglicht auf die Orte warf, welche mit dem Kongress in Verbindung stehen. Zum Beispiel war das „Zum Goldenen Lamm“, im Vor-Vorgängergebäude des heutigen Lammes, der Ort, am welchem die Vorbesprechung zum Kongress erfolgte. Es wurde eine Tagesordnung beschlossen und ein 10-Punkte-Katalaog mit Forderungen formuliert, denn die Zeit für den Kongress war begrenzt. Zentral war die Forderung nach einer verfassungsgebenden Versammlung für Nassau, Anerkennung der Deutschen Nationalversammlung, sowie der Abzug von Truppen aus der Pfalz und Baden.

Der Kongress fand an einem Sonntag in der Unionskirche statt, zwischen den Gottesdiensten. 300 Delegierte, aus allen Ämtern des Herzogtums tagten dort. Sie konnten bis zum frühen Abend den Forderungskatalog beschließen und eine Deputation von 56 Mitgliedern zum Herzog entsenden, um mit ihm die Forderungen zu verhandeln.

Einer der Einladenden war der Idsteiner Likörfabrikant Gustav Justi, dessen Wohnhaus in der Weiherwiese, Ecke Zuckerberg, heute noch zu sehen ist. Vor der Volks- und Raiffeisenbank steht eine Büste, welche Gustav Justi darstellen soll. Als Mitbegründer des Vorschuss- und Creditvereins, der heutigen VR Bank Untertaunus, spielte er auch bei der wirtschaftlichen Entwicklung der Stadt eine wichtige Rolle.

Ein weiterer Ort ist das Augustinum, das damalige Gymnasium, welches ein Hort für „radikale“ politische Ideen war. Bekannt wurden die Brüder Snell, welche später in die Schweiz emigrieren mussten. Justi und andere Mitglieder des Demokratenkongresses wurden wegen Hochverrates und Majestätsbeleidigung angeklagt, letztlich jedoch freigesprochen. Dieser Vorgang zeigt, dass das Eintreten für demokratische Rechte, die Schaffung einer Republik, also eine „Sache für alle“, gefährlich war. Die damals Regierenden haben auch entsprechend reagiert und die Revolutionäre weiter bekämpft. So sollte es noch bis zum Ende des 1. Weltkrieges dauern, bis mit der Weimarer Republik von einer vollständigen Demokratie gesprochen werden konnte.

Für uns heute ist die Demokratie in der Bundesrepublik Deutschland so selbstverständlich, friedlich und stabil, dass wir uns kaum noch Gedanken zu den Anfängen machen.

Es gibt heute verschiedene Möglichkeiten sich zu engagieren, in Initiativen, in Parteien und politischen Gruppen und man kann sich wählen lassen. Oder einfach jenen über die Schulter schauen, die öffentlich beraten (z.B. in der Stadtverordnetenversammlung oder den Fachausschüssen). Das erfordert Einsatz und Mühe, aber es lohnt sich – für uns alle.