Der Bürger als Ratgeber
Die Unabhängige Liste (ULI) zeigt sich sehr erfreut und zufrieden über den großen Zuspruch, den ihre erste Informationsveranstaltung zum Thema „Bürgerräte“ am 22. März fand: Knapp 50 interessierte Bürgerinnen und Bürger, die zum Teil sogar extra aus Frankfurt angereist waren, hörten im Idsteiner Kulturbahnhof den zwei Referenten zu.
Thorsten Sterk vom bundesweit tätigen Verein „mehr Demokratie e.V.“, der auch als Berater bei der Etablierung von Bürgerräten unterstützt, berichtete zunächst einführend und allgemein darüber, was ein Bürgerrat überhaupt ist, wie er zusammengesetzt wird (nämlich per Losverfahren und so, dass die Bevölkerung möglichst repräsentativ abgebildet wird), wie er arbeitet und was mit den Ergebnissen passiert.
„Hochinteressant! Das ist das erste Mal, dass ich von Bürgerräten gehört habe. Ich finde es toll, dass es Verfahren gibt, bei denen auch ganz normale Idsteiner:innen ihr Wissen, ihre Erfahrungen und ihre Erlebenswelt bei spezifischen Themen einbringen können. Das wäre eine gute Möglichkeit, sozusagen projektweise in die Politik hineinzuschnuppern“, befand Brigitte Klutentreter, die als politisch nicht aktive Bürgerin gleichwohl großes Interesse an Gestaltungsmöglichkeiten hat.
Auch der Idsteiner Ulrich Regh hat sein politisches Interesse bislang nicht in Aktivitäten umgesetzt. Doch dann wurde er Ende 2022 für das Äquivalent des Bürgerrates auf EU-Ebene ausgelost, für ein sogenanntes Citizens‘ Panel. In der ULI-Veranstaltung berichtete er sehr persönlich und anschaulich, was in ihm vorging, als das Telefon unvermittelt klingelte und er nach Brüssel eingeladen wurde, um dort mit 149 anderen EU-Bürger:innen über das Thema „Food Waste“ nachzudenken und Zielvorstellungen und Lösungswege zu skizzieren und priorisieren. Regh riss die Zuhörer:innen in seiner Darstellung dessen mit, wie aus seiner anfänglicher Zögerlichkeit schnell und nachhaltig Begeisterung für das Thema und vor allem für die eigenen Möglichkeiten, politisch wirksam zu werden, wurde.
„Ich wusste eigentlich gar nichts über das Thema und hatte mir auch vorher nicht so richtig Gedanken darüber gemacht. Aber jetzt, da ich mich damit befasst und mit den anderen EU-Bürger:innen derart intensiv gearbeitet habe, ist für mich klar: Das Citizens‘ Panel zu diesem Thema ist zwar abgeschlossen, ich werde mich aber hier, vor Ort, weiter für das Thema der Vermeidung von Lebensmittelverschwendung engagieren, z.B. in Schulen.“
Ursula Oestreich, Vereins- und Fraktionsvorsitzende der ULI, bekräftigt: „Was Herr Regh erlebt hat hört man immer wieder von Teilnehmenden an Bürgerräten: Erst sind Ausgeloste erstaunt, warum man gerade sie zu einem Bürgerrat einlädt – und dann merken sie im Laufe des Verfahrens, wie viel sie eigentlich zu einem Thema beitragen können. Und dass gute Politik auch „von unten“, nicht nur von „denen da oben“ kommen kann.“
Das Schwarmwissen der Bevölkerung zu nutzen und dabei die Vielfalt der Perspektiven und Erlebenshintergründe konstruktiv abzuschöpfen, das ist für Oestreich der Kern des Mehrwerts, den sie in Bürgerräten als einer zusätzlichen politischen Gestaltungsmöglichkeit erkennt.
„Die erfreulich hohe Teilnehmerzahl und die sehr lebhaften Diskussionen, die sich noch über eine Stunde nach offiziellem Ende der Veranstaltung fortsetzten, zeigen mir, dass es richtig war, den Punkt „Bürgerräte“ in unser Wahlprogramm aufzunehmen und nun Schritt für Schritt in die Umsetzung zu bringen.“
Die Ergebnisse der Veranstaltung finden Sie hier. Für alle Interessierten, die nicht an der Veranstaltung teilnehmen konnten, schon jetzt der Hinweis auf unseren Infostand in der Idsteiner Fußgängerzone am Samstag, 09.09.2023.
So sah das ein -nicht unwesentlicher- Teil der Idsteiner Stadtverordneten bisher.
Meint ihr wirklich das sich da nach der letzten Kommunalwahl etwas geändert hat?
Man rennt doch weiterhin blind von der einen in die nächste Katastrophe.
Auf die Schnelle sei hier nur Tournesol, Gassenbacher und On-Demand erwähnt.
Danke für den Kommentar und die darin enthaltene Frage, Dietmar.
Das ist ein dickes Brett, das wir bohren – keine Frage. Im Übrigen ein ähnlich dickes, wie das Livestream-Thema :-).
Wenn Du Dir die Programme der bundes-weit vertretenen Parteien ansiehst, wirst Du dort bei fast allen das Thema Bürgerrat oder mehr direkte Demokratie finden. Gerade auf kommunaler Ebene soll es helfen, das Interesse an Kommunalpolitik zu wecken und die Mitwirkung bei „heißen“ Themen ermöglichen. Da ist es unserer Sicht naheliegend, daß wir uns den vielen Kommunen anschließen, die bereits jetzt erfolgreich mit Bürgerräten arbeiten. Eine Übersicht findest Du hier.
Im Moment, hat die Idsteiner Bürgerschaft nur alle fünf Jahre die Möglichkeit die Zusammensetzung der Stadtverordnetenversammlung zu ändern oder alle sechs Jahre eine:n andere:n Bürgermeister:in zu wählen. Wer weiß, wie die Empfehlungen eines Bürgerrates „Tournesol“, „Idsteiner Bahnhof“ oder auch „Gassenbacher Hof“ ausgesehen hätten? Und wer weiß, welche Dynamik damit in die Stadt gekommen wäre?
Angesichts der vielen Aufgaben, die sich aktuell stellen, ist es aus unserer Sicht hilfreicher in Lösungen zu denken, als in den ewigen „ja, aber“ Diskussionen, die immer gleichen Argumentationsschleifen zu drehen. Und genau das passiert in den Beratungen der Bürgerräte, in Lösungen denken.
Fragen, die wir gerne am 09.09.2023 am Infostand in der Fußgängerzone aufnehmen und diskutieren wollen.