Urlaubszeit, heiße Tage – alle freuen sich, mal nicht arbeiten zu müssen.

Alle?

Nein, an mindestens einer „Baustelle“ wird kräftig in der Stille des beobachtungsfreien Sommerlochs gewerkelt:

Um das weitere Schicksal des Grundstücks der ehemaligen Kindertagesstätte am Parkplatz Escher Straße (im Bogen gegenüber ehemaliges Tafelgelände/ehemaliger Tengelmann an der Schützenhausstraße) war es im Jahr 2015 verdächtig ruhig geworden war, nachdem sie über den Verlauf mehrerer vorangegangener Jahre ziemlich viele ziemlich stark in Atem gehalten hat. Auch hatte sich an der Planung für dieses Grundstück eine hohe Welle der Bürgerempörung ausgelöst.

Übergabe von 700 Unterschriften: Sonja Herden überreicht sie vor der Parlamentssitzung an Stadtverordnetenvorsteher Christian Herfurth (CDU) und Bürgermeister Gerhard Krum (SPD) (rechts).
Foto: wita/Martin Fromme Idsteiner Zeitung 18.05.2013

Der geplante Ersatz wird jedoch wiederum in keiner Weise den baulichen Gestaltungsrichtlinien entsprechen, die in der gültigen Bausatzung für diesen Bereich festgeschrieben sind.

Daß die Kindertagesstätte ersetzt werden soll, ist eine Chance für unsere Altstadt und könnte, wenn man sensibel mit der Planung der Neubebauung umginge zu einer Stärkung und Aufwertung dieses zweiten Eingangstores zum denkmalgeschützten Altstadtensemble werden.

Denn die „Stadtväter“ haben vor ca. 30 Jahren aus sehr gutem Grund auch den Bereich des Kita-Geländes in die damals entworfene Bausatzung mit einbezogen. Die Kita, gebaut 1975 und mithin vor Aufstellung der Gestaltungssatzung, war nun einmal wie sie war. Sollte sie aber jemals – wie jetzt geplant – ersetzt werden, so hat man den Gültigkeitsbereich der Bausatzung zur Gestaltung darauf angelegt, den Fehler der Vergangenheit, als den das Kita-Gebäude schon aus damaliger Sicht erkennbar gewesen sein dürfte, zu korrigieren: Die Gestaltungssatzung fordert bis auf den heutigen Tag, nur (Neu-)Bauten zuzulassen, die der Altstadtkulisse gestalterisch angemessen Rechnung tragen.

Die damalige Empörung hat sich dabei aus derselben Quelle gespeist wie derjenige Unmut, dem über 1.700 Bürgerinnen und Bürger durch ihre Unterschrift zur Wahrung der Altstadtsilhouette vor der Sommerpause der Stadtverordnetenversammlung (StVV) Ausdruck verliehen haben: Das bauliche Erscheinungsbild unserer aus sehr gutem Grund denkmalgeschützten Altstadt wird sukzessive von allen Seiten her sehenden Auges durch modernistische Bauten zerstört.

Denn die ehemalige Kindertagesstätte – wahrlich kein Ausbund an Ästhetik und altstadtgerechter Architektur – soll nun zwar etwas ersetzt werden.

Die Bausatzung zur Gestaltung der Altstadt hat somit nicht nur eine schützende und bewahrende Funktion im Bestand, sondern darüber hinaus auf dem ehemaligen Kita-Gelände auch eine korrigierende gestalterische Kraft. Das ist auch gut und richtig so, denn Bauwerke sind nun einmal auf lange Bestandszeit angelegt – und das, was heute „modern“ erscheinen mag, kann schon morgen allgemein als „Bausünde“ angesehen werden. Die ehemalige Kita selbst, ein typischer „Tischtennisplatten“-Bau, wie sie zu hunderten in den 1970er Jahren als „zukunftsweisende Moderne“ in Deutschland entstanden sind, ist hierfür  eindrückliches Beispiel genug.

Kaum ist diese Chance einer nachhaltig zukunftsfähigen gestalterischen Korrektur für Idstein endlich greifbar, ist die Stadt aber auch schon wieder dabei, sie zu verspielen:
Das Grundstück ist bereits an Krieger + Schramm verkauft, die Kita wird zur Zeit entrümpelt und soll laut Bericht der IZ vom 17.07.2017 ab dem 7. August abgebrochen werden. Was dann errichtet wird, hat mit „Altstadt“ maximal insofern etwas zu tun, als es an die modernistische Ausführung eines mittelalterlichen Bauwerks gemahnen mag: Hoch, unnahbar, abweisend, trutzig.

Diese Empfindung ist nicht nur eine subjektive. Daß die geplanten Immobilien auch objektiv nichts mit dem zu tun haben, was unsere schöne historische Altstadt ausmacht, leitet sich direkt aus der Tatsache ab, daß politisch geplant ist, den Geltungsbereich der Gestaltungssatzung abzuändern und das Kita-Gelände wieder herauszunehmen. D.h. in dem Moment, in dem das gestalterische Korrektiv endlich greifen könnte, nimmt man ihm mutwillig seine Wirkungsmacht, um den Investorenwillen – einmal mehr – zu erfüllen.

Ein weiteres Beispiel, das untermauert, daß Idsteiner Baupolitik keinem souverän erarbeiteten Plan folgt, sondern opportunistisch auf fragmentarische Einzelanforderungen Dritter (Geldgeber) reagiert, ohne eine eigene Agenda oder mittel- bis langfristige Strategie damit zu bedienen.

Stadtplanung und politisch-gesellschaftlich verantwortliches Handeln geht anders.

Die entsprechenden politischen Beratungen und Entscheidungen zur Neubebauung der ehemaligen Kita Escher Str. werden ab August geführt. Startschuß ist im Ortsbeirat am 15. August und, darauf folgend, im Bau- und Planungsausschuß am 23. August. Beide Sitzungen sind öffentlich und damit Pflichttermine für jede/n, der oder dem es am Herzen liegt, daß unsere Altstadt nicht nun auch noch vom letzten verbliebenen Eingang her, der Escher Straße/Weiherwiese, erodiert wird – nach „Neubau HL-Markt“, Neubauplanung in der Rodergasse und der noch offenen Causa „Marktplatz 6/Escher Str. 8 – 10“ und mit dem schon von der A3 das Stadtbild dominierenden Hoch7/Steinkaut-Ensemble.

Die hohe Identifikation der Menschen mit ihrer Stadt möchte er als Potenzial nutzen. Der neue Tegut mit Eine-Welt-Laden in der Schützenhausstraße mache deutlich, dass nichts unmöglich sei. Unmöglich wären für ihn als Bürgermeister hingegen hohe Bauten wie am Saarbrücker Platz. „Das wird es mit mir nicht geben.“ Auch das ehemalige Kita-Gelände an der Escher Straße müsse „behutsam entwickelt“ werden.

Christian Herfurth

in der Idsteiner Zeitung am 15.03.2013