Unser Stadtrat Joachim Mengden, der auf eine langjährige Planungsexpertise zurückblickt, hat sich Gedanken zum Thema Stadtentwicklung gemacht, die wir gerne weitergeben.

Als soziale, in Gesellschaft lebende Wesen nutzen die Menschen heute die besiedelbaren Flächen für die Landwirtschaft (zur Ernährung), den Wald (fürs Bauen und Heizen), die Freiflächen (für die Erholung) usw., wie auch die Siedlungsflächen (fürs Wohnen, Arbeiten oder Mobilität), ja sogar die Wasserflächen immer umfangreicher, insbesondere aufgrund ihrer wachsenden Zahl und den wachsenden Ansprüchen.

Nicht die Landwirtschaft an sich, die Nutzung des Waldes oder die Siedlungsfläche und deren immer größer werdender Anteil ist das Problem, sondern „wie“ diese Nutzungen realisiert werden und „wofür“. In einer monostrukturierten Landwirtschaft ist der Artenreichtum geringer als in einer biotopreichen Siedlungsfläche, in einem Einfamilienhausgebiet der Versiegelungsgrad pro Kopf höher als in einer urbanen Stadt, das Abfallaufkommen bei verpackten Lebensmitteln in einem Dorf pro Kopf größer als in einer Stadt, in der viele in einem Unverpackt-Laden einkaufen usw. Was ökologisch unverantwortlich ist, definiert sich nicht an der Art der Flächennutzung oder ihrem wachsenden Anteil, sondern an der konkreten Ausführung der Nutzung.

Dass ein Mehr an Einwohnern und Wohnfläche nicht automatisch zu einem Mehr an Energieverbrauch und CO2-Emissionen führt, zeigen auch die Idsteiner Zahlen. Idstein ist seit 2008 um ca. 2700 Einwohner gewachsen, mit einer entsprechenden Zunahme an Wohnfläche. Der (witterungsbereinigte) absolute Energieverbrauch ist in diesem Zeitraum um ca. 30.000 MWh gesunken, die CO2-Emission pro Kopf um etwas mehr als 30 % (von 5,83 t/EW/a auf 4,01 t/EW/a). Auch wenn dies nicht ausreichend ist, macht das Beispiel deutlich, dass eine Zunahme von Einwohnern und Fläche nicht automatisch zu einem energetisch höheren Verbrauch, und damit zu einer Verschärfung des Klimaproblems führt.

Die von den Menschen herbeigeführte Klimaveränderung ist Resultat des immer noch zu hohen CO2-Ausstoßes durch Arbeiten, Verkehr aber auch Wohnen und Bauen. Da die derzeitige Form des Bauens unsere Umwelt negativ beeinflusst, fordern z.B. Architects for Future e.V. ein umfassenden Maßnahmenpaket für ein klima- und sozialverträgliches Bauen.

Neben dem Klimaschutz ist die Sozialverträglichkeit ein weiteres entscheidendes Kriterium, das zu beachten ist, wenn man z.B. Migranten aufnimmt und integriert (denn dafür werden mehr Wohnungen benötigt), oder auch für diejenigen, die in inakzeptablen Wohnverhältnissen leben, gutes Wohnen zu realisieren.

Die dritte Säule einer nachhaltigen (Stadt-)Entwicklung umfasst die wirtschaftlichen Ziele, die dafür sorgen, dass die zukünftigen Generationen nicht auch noch die finanzielle Quittung für überkommenes Planen und Bauen begleichen müssen.

Ziel moderner Siedlungsentwicklung sollte es auch in Idstein sein, eine ausgeglichene CO2-Bilanz herzustellen, indem auf allen Politikfeldern klimaschädliches und sozialunverträgliches sowie unwirtschaftliches Handeln Schritt für Schritt reduziert und ein grundlegender Wandel hin zu einer höheren ökologischen Qualität erreicht wird. In diesem Sinne sollte das Idsteiner Stadtentwicklungskonzept nicht vorrangig an Flächengrößen, sondern an qualitativen Veränderungen gemessen werden. Bei hoher ökologischer Qualität wird auch die beanspruchte Fläche kleiner.

Außerdem gehört auch die Konzeptionierung von Klimaanpassungsmaßnahmen in der Stadtentwicklung dazu, z.B. durch grüne Freiflächen, Baumpflanzungen, Freihalten von Frischluftbahnen, wassersensible Planung, umweltverträgliche Mobilität, Boden- Arten- und Biotopschutzes oder die Katastrophenvorsorge dafür zu sorgen, dass auch wachsende Städte lebens- und liebenswert werden oder bleiben.

Wird die Zukunftsfähigkeit der neu ausgerichteten Stadtentwicklung noch mit innovativen Elementen und moderner Kommunikation und Beteiligung gesichert, geht die Halbwertzeit der Aktualität des Stadtentwicklungskonzepts über die Zeit seiner Erstellung hinaus.

Joachim Mengden

Stadtrat