Die nicht spontan und warm von Politik und Verwaltung aufgenommene Idee einer Jobbörse für Migranten und Flüchtlinge erlebte heute ihre Premiere.
Zahlreiche Organisationen wie das Institut für berufliche Bildung, Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik; „Wirtschaft integriert“, Berufliche Schulen Untertaunus, Jobcenter Idstein, die Volkshochschule, die Industrie- und Handelskammer und die Handwerkskammer sowie das Diakonische Werk waren im Idsteiner Kulturbahnhof mit umfänglichem Informationsmaterial und hochmotiviertem Personal vertreten, um über Ausbildungsmöglichkeiten, Wege zum Einstieg in das hiesige Berufsleben, notwendige Zertifizierungen, Sprachkurse und Unterstützung bei alltäglichen Fragen zu beraten und Kontakte zu knüpfen. Dieses Angebot wurde ergänzt um praktische Unterstützung beim Verfassen von Stellengesuchen und Bewerbungsschreiben.
Soweit der beeindruckende organisatorische Rahmen, der auch erfreulich stark und aktiv angenommen wurde: Von Beginn der Veranstaltung an war der Kulturbahnhof ständig geschäftig voll wie in ein Bienenstock. Eifrig wurden die Beratungsangebote studiert und mit den Beratern intensiv näher besprochen; und es war erfreulich und beeindruckend zu sehen, wie die interessierten Flüchtlinge und Migranten sich gegenseitig unterstützten, um die zahlreichen Arbeits- und Ausbildungsgesuche zu erstellen, die schließlich auf der dafür bereitgestellten Pinnwand zu finden waren.
Gerade vor dem Hintergrund der hochqualitativen und -quantitativen Aktivitäten von Organisatoren, beratenden Unternehmen und Institutionen und Integrationswilligen fiel umso negativer das fast völlige Fernbleiben derjenigen Unternehmen auf, die im Idsteiner Land als Arbeitgeber und Ausbildungsstätten als vierte zentral wichtige Gruppe ein Interesse an der Teilnahme hätten haben müssen. Die rühmliche Ausnahme bildete hier der Mittelständler CEE GmbH, der als einziges Unternehmen eine Vertreterin geschickt hatte und an dessen Informationsstand sich folgerichtig lange Schlangen von Informationssuchenden bildeten.
Das Infobrett „Jobangebote“ war beschämenderweise ebenfalls nur mit einem einzigen Angebot bestückt, einem Gesuch der Firma Dostal.
Wie passt das zusammen mit der Tatsache, dass die Arbeitgeber in der Region immer wieder darüber klagen, dass zahlreiche Lehrstellen unbesetzt bleiben müssen, weil die entsprechenden Bewerberinnen und Bewerber fehlen. Besteht nun aber, wie heute im Kulturbahnhof, die Möglichkeit, vor Ort um Arbeitskräfte und Auszubildende (und damit natürlich auch zugleich für das eigene Unternehmen) zu werben, lassen nahezu alle unserer hiesigen Unternehmen diese Möglichkeit ungenutzt verstreichen – aus Sicht der ULI ein völlig unverständliches, weil für die Firmen selbst auch womöglich nachteiliges, Verhalten.
Genauso wenig nachvollziehbar ist für uns, warum zur Eröffnung der Veranstaltung kein Grußwort seitens des Magistrats oder Bürgermeister Herfurths gesprochen wurde und die Fraktionen des Idsteiner Stadtparlaments weitgehend durch Abwesenheit glänzten. Die einzige rühmliche Ausnahme bildete hier die SPD-Fraktion, die mit Hans-Egon Baasch und Volker Nieß, vertreten war.
Enttäuschend damit natürlich auch ein Stück weit für die zahlreichen hochengagierten Helferinnen und Helfer, die in mühevoller Arbeit auch Sponsoren für diese Veranstaltung gewinnen konnten und sichtbarlich viele Stunden ihrer Freizeit in die Vorbereitung gesteckt haben.
Vor allem aber fragt man sich, was für ein Bild die hiesigen Unternehmen so bei denjenigen Menschen hinterlassen haben, die der Unterstützung und Hilfe der Gesellschaft sowie unserer gewählten Vertreterinnen und Vertreter bedürfen, um in Deutschland, in Hessen und hier in Idstein gesellschaftlich anerkannt zu werden, über den Wertbeitrag ihrer Arbeit. Denn: Es dürfte sich mittlerweile herumgesprochen haben, dass der Faktor „Arbeit“ für gelingende gesellschaftliche Integration zentral ist.
Die ULI jedenfalls bedankt sich ausdrücklich bei den Macherinnen und Macher dieser aus unserer Sicht trotz des Wermutstropfens der mangelnden Beteiligung von Handwerk und Gewerbe ebenso gelungenen wie wichtigen Initiative. Von dem Erfolg solcher Initiativen werden wir alle profitieren – als Arbeitgeber wie Integrationswillige und damit letztlich: gesamtgesellschaftlich.
In der Geschichte Deutschlands hat es immer wieder Situationen gegeben, in denen Flüchtlinge aufgenommen und integriert werden mussten. Auch in der Idsteiner Innenstadt ist diesen Zeiten und Umständen ein Denkmal gewidmet: Nahe dem Gericht findet sich eine Tafel, die an mehr als 3.000 geflüchtete Menschen früherer Zeiten erinnert, die in Idstein und Umgebung eine neue Heimat gefunden haben.
Die aktuelle Integrationsaufgabe, die wir als Gesellschaft wieder wahrnehmen müssen, sollte schon aus unserer eigenen Historie genügend Motivation und Auftrag sein, um unserer gesellschaftlichen wie auch moralischen Verantwortung gemäß zu handeln. Denn so kann diese, sicherlich nicht immer einfache, Situation aktiv gestaltet werden, als Chance, von der wir gesamtgesellschaftlich und gemeinsam mit den zu uns Geflüchteten profitieren.