Ruth Pappenheimer

geboren am 8. November 1925 Frankfurt/Main
ermordet am 23. Oktober 1944 Kalmenhof (Idstein)

Ruth Pappenheimer wurde durch zwei im Abstand von mehreren Stunden verabreichten Morphiumspritzen planvoll getötet.

Am 23. Oktober 1944 fertigt das Standesamt Idstein eine Sterbeurkunde für die am 8. November 1925 in Frankfurt am Main geborene Ruth Pappenheimer aus. Verantwortlich für die darin enthaltenen, unrichtigen Angaben zeichnet der seit Mai 1944 im Idsteiner Kalmenhof als Anstaltsarzt beschäftigte Mörder der jungen Frau, Hermann Wesse. Das Dokument weist als Todesursache des „Anstaltspfleglings unbekannter Eltern“, der um 10.00 Uhr morgens verstorben sei, „Bronchopneumonie, Herz- und Kreislaufschwäche“ aus. Bewusst falsche Angaben zur Todesursache entsprachen gängiger Praxis bei den vielen hundert in der „Kinderfachabteilung“ des Idsteiner Kalmenhofs Ermordeten.

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Nach dem ersten Teil und dem zweiten Teil unserer Gesprächsrunde mit Martina Hartmann-Menz, folgt nun der dritte Teil.

ULI: Was erhoffen Sie sich von der Stadt Idstein?

Hartmann-Menz: Die Gremien der Stadt Idstein haben einstimmig die Ortung der Gräberfelder auf dem Kalmenhof eingefordert. Dies ist ein erster guter Schritt. Dennoch bedarf es, wie vielerorts, auch in Idstein der großräumigen Aufarbeitung der NS-Geschichte von kommunaler Seite. Diese ist in Idstein eng mit der Geschichte des Kalmenhofes verzahnt. In Idstein, wie überall dort, wo eine Tötungseinrichtung der NS-Zeit eingerichtet worden war, gibt es ein „Innen“ und ein „Außen“. Es gibt Bedingtheiten und Wechselseitigkeiten – sowohl in der Zeit von 1933 und 1945 wie auch in den nachfolgenden Jahren der Aufarbeitung – oder eben Nicht-Aufarbeitung. Sich diesem Komplex und den damit verbundenen Fragestellungen zu öffnen, ist ein Prozess. Zuweilen sind es Debatten wie die um den geplanten Verkauf des Krankenhauses auf dem Kalmenhof, die Impulse für eine Aufarbeitung der NS-Zeit setzen. Ähnliches habe ich im Landkreis Limburg-Weilburg erlebt, wo die ab 2011 geführte Debatte um die NS-Involvierung des ehemaligen Landrates Heinz Wolf zu einem öffentlichen Nachdenken über die NS-Zeit geführt hat.

ULI: Wo sehen Sie den Idsteiner Kalmenhof in 10 Jahren?

Hartmann-Menz: Die rechtsverbindlichen Vorgaben des Gräbergesetzes sind bis dahin vollinhaltlich umgesetzt. Das großräumig geortete Gräberfeldes wird so gestaltet, dass die Namen aller Opfer genannt werden. Im dann sanierten ehemaligen Krankenhaus ist eine Institution untergebracht, die dem Gedenken ausreichend Raum lässt. Die Dauerausstellung aus dem Verwaltungsgebäude ist nach dem dann vorliegenden Forschungsstand überarbeitet und jederzeit zugänglich. Biografien der Opfer können durch eine App mit Bild und Ton abgerufen werden. Die gesamte Anlage wird in jeder Hinsicht barrierefrei gestaltet. Es  erfolgt eine kontinuierliche Aufarbeitung der Geschichte, die auch die Zeit der „schwarzen Pädagogik“ berücksichtigt.

 

Wir danken Ihnen sehr für dieses Gespräch, Frau Hartmann-Menz.

Martina Hartmann-Menz M.A.

Studium der Geschichte, Germanistik und Anglistik in Frankfurt/Main
Abschluss in englischer Wissenschaftsgeschichte
Lehrerin an der Fürst-Johann-Ludwig und der Glasfachschule Hadamar

Berufenes Mitglied der Historischen Kommission für Nassau
Mitarbeiterin der Gedenkstätte Hadamar (2004-2011)
Interkulturelle Arbeit in diversen Gremien
Forschungen zur Regionalgeschichte mit den Schwerpunkten  Holocaust, Patientenmord, jüdische Geschichte
Biografische Recherchen zu Frankfurter Opfern des Holocaust mit Schwerpunktsetzung auf sog. „Asoziale“
Wissenschaftliche Beteiligung (2012) bei der posthumen Aberkennung des Ehrenbürgerrechts für den NS-Täter und ehem. Landrat im Landkreis Limburg, Heinz Wolf
Erstellung des Gutachtens (2014) zur Biografie und ideologischen Verankerung des NS-Pädagogen Franz Kade als Diskussionsgrundlage der im Jahr 2015 erfolgten Umbenennung der ehemaligen Franz-Kade-Schule in Idstein Wörsdorf
Mitglied in der von Vitos Eichberg (2016) einberufenen Kalmenhof-Kommission
Mitarbeit in den Stolpersteine-Initiativen Frankfurt, Kassel, Stuttgart, Hadamar und Bad Camberg
Forschungsprojekte: Opfer des Patientenmordes im erweiterten Landkreis Limburg Weilburg; Elz in der NS-Zeit mit Erstellung der Biografien für die Verlegung von Stolpersteinen im Auftrag der Gemeinde Elz.