Populismus statt politisch Notwendiges

In den Idsteiner Gremien gilt auch nach der hessischen Landtagswahl:
kein Ende der Debatte um die wiederkehrenden Straßenbeiträge

Für die gemeinsame Umlage von 65% der ab 2014 tatsächlich angefallenen Kosten für grundhafte Straßensanierungen (und nur für diese) zahlen Immobilienbesitzer ca. €0,025/qm und Jahr. Bei einem 500qm-Grundstück entspricht das  etwa € 1,00 pro Monat, ist also eine sozialverträgliche Abgabe im Sinne des Solidarprinzips. Die restlichen 60% der Kosten verbleiben weiterhin bei der Stadt.

Der pro Abrechnungsjahr gültige Beitragssatz wird erst nach Ende und Abrechnung einer jeden Baumaßnahme errechnet. Damit ist sichergestellt, daß die Summe aller Abgabebeträge cent-genau der tatsächlich erbrachten Leistung entspricht. Es gibt keine Überhangbeträge, die in andere Budgets versickern könnten.

Das ist, wie CDU-Fraktionsführer Peter Piaskowski völlig zu Recht unterstrich, ein wichtiger Transparenzaspekt, mit dem sich die wiederkehrenden Straßenbeiträge signifikant von ihrer Alternative absetzen: Eine Finanzierung über erneute Anhebung der Grundsteuer B und/oder der Gewerbesteuer erfolgt immer prospektiv, ist damit nicht präzise kalkulierbar (d.h. wird im Zweifelsfall zu hoch erhoben werden oder zu Nachforderungen führen) und kann als Geldstrom zudem nicht mehr Budget- und maßnahmengenau nachverfolgt werden.

Daß Piaskowskis Parteifreund Bürgermeister Christian Herfurth offenbar dennoch die gerade beschlossene Evaluierung der Satzung nicht ergebnisoffen führen will, sondern „sich dafür [einsetzt], künftig auf die Erhebung von wiederkehrenden Straßenbeiträgen zu verzichten“ (s. Idsteiner Zeitung vom 22. November 2018), liegt vermutlich daran, daß er den Kampf um seine Wiederwahl 2019 eröffnet hat. Da machen sich populäre Aussagen gut, auch wenn sie politische Beschlüsse wie die Evaluierung marginalisieren.

Vor allem aber: Herfurth drückt sich mit solchen Aussagen davor, der Öffentlichkeit zu sagen, wer die Zeche denn dann zahlen soll, wenn die Straßenbeiträge wieder abgeschafft werden sollten.

Auch IZ-Redakteur Volker Stavenow stößt am 14. November 2018 in dasselbe Horn, wenn er meint, alle seien Straßennutzer, also sollten alle zahlen. Soll das wirklich weniger „ungerecht“ sein? Sollen Straßennutzer, die per Kfz nach Idstein pendeln oder zum Einkaufen fahren, etwa per Maut an der grundhaften Sanierung beteiligt werden? Nutzen Fußgänger die Straßen wirklich in vergleichbar starkem Maße ab wie Autofahrer? Und seit wann treffen Grund- und Gewerbesteuer alle Idsteinerinnen und Idsteiner, wie Stavenow suggiert?

Auch seine Gedankengänge, verbunden mit dem Schrei nach vermeintlicher Gerechtigkeit, sind viel zu kurz gegriffen und verschweigen die Kehrseite der Medaille. Denn so viel ist klar: Wer immer wieder Investitionsfehlbeträge über Grund- und Gewerbesteuern eintreibt, fügt dem Standort Idstein für Handel und Gewerbe sehenden Auges nachhaltig massiven Schaden zu.

Umso mehr erstaunt es, daß gerade die FDP diejenige Partei ist, die sich vehement gegen die gerade erst 2016 eingeführten Straßenbeiträge stemmt. Hiermit schadet die FDP ihrer einstigen Stammklientel, nämlich Mittelständlern, Gewerbetreibenden und Selbständigen, aber letztlich auch allen, die man vordergründig zu entlasten versucht: Auch die privaten Immobilieneigentümer müssten bei einer Alternativfinanzierung über Grundsteuer B natürlich wieder in die Tasche greifen, nur unter anderem Namen und bei verringerter Transparenz und Abrechnungsgenauigkeit.

Derart populistische Emotionalisierung von politisch Notwendigem kann zwar machtpolitisch erfolgreich sein, wie man seit über zwei Jahren in den USA besichtigen kann. Davon ist aber bislang noch keine Rechnung bezahlt und keine Straße instandgesetzt worden.

Auch Unpopuläres hingegen kann richtig und notwendig sein. Dies nachvollziehbar als verträglichen Beitrag zu unserer Solidargemeinschaft zu vermitteln, gehört nun einmal auch zu den Aufgaben eines Politikers. Wer sich davor drückt, hat seinen Wählerauftrag nicht verstanden.

Vielfalt und Zusammenhalt

… und was Bürgermeister und Stadtverwaltung dazu aktiv beitragen wollen

Ausgewählte Mitschrift der Antworten auf die von der ULI eingereichten Fragen der Bürgerversammlung am 29. Mai 2018

Das offizielle Protokoll der Stadt Idstein zur Bürgerversammlung am 29. Mai 2018 läßt weiter auf sich warten.

Daher hat die ULI umdisponiert:

Wir wollten das offizielle Protokoll mit entsprechenden Ergänzungen und Kommentierungen unserer Fragen an Bürgermeister und Verwaltung hier in einer Gesamtschau veröffentlichen. Aufgrund der zögerlichen Protokollierung wählen wir jetzt einen anderen Weg:

Das diesjährige Fest der Vereine am 23. Juni 2018 steht unter dem Motto „Migration, Integration, Inklusion – Vereinbarkeit von Vielfalt und Zusammenhalt.“

Zum ersten Mal sind hierzu auch alle kommunalpolitisch engagierten Gruppierungen eingeladen worden. Außer Bündnis 90/Die Grünen und uns von der ULI hat aber offenbar keine der Parteien etwas zu diesem Thema zu sagen – oder es liegt ihnen nicht ausreichend am Herzen?

Warum will fast keine der in der Stadtverordentenversammlung vertretenen Parteien über das Fest der Vereine aktiv dazu beitragen, daß ein sichtbares Zeichen für ein vielfältiges Miteinander der Idsteiner Stadtgesellschaft gesetzt wird?

Die ULI macht sich fortlaufend zu diesem Thema Gedanken:
Wie kann unsere Stadtgesellschaft, gerade unter aktiver und selbstbestimmter Einbeziehung der Orts- und Stadtteile, zusammenwachsen und gestärkt werden? In dem wir unter anderem deren Heterogenität als Chance und nicht als Hemmschuh betrachten.

Einige Fragen, auf die die Gedanken und Lösungsansätze der ULI hinweisen, haben wir dem Bürgermeister in der Bürgerversammlung gestellt. Unten folgen seine Antworten (basierend auf der Mitschrift der ULI bzw. als Gedächtnisprotokoll festgehalten).

Die ULI hat konkrete Vorstellungen zur aktiven Gestaltung und Stärkung einer vielfältigen Stadtgesellschaft

Wenn Sie ebenfalls der Meinung sind,

  • daß die Antworten von Bürgermeister und Verwaltung eher schwammig und wenig konkret sind,
  • daß sich kein Konzept und keine planerische Voraussicht einer aktiv gestaltbaren, zukunftsfähigen Entwicklungsstrategie abzeichnen,

dann hören Sie sich einmal die Ideen der ULI an und diskutieren Sie diese mit uns. Sie finden die ULI am Stand zwischen Rathaustreppe und Brunnen auf dem König-Adolf-Platz.

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Chance auf zukunftsfähige Neuaufstellung der Familien- & Seniorenakademie vertan

Da wird die CDU von allen anderen Fraktionen in der Stadtverordnetenversammlung am 3. Mai 2018 dafür gescholten, dass sie mal wieder unsozial sei. Und dabei kann man durchaus auch berechtigterweise die – zugegeben ungewohnte – Perspektive einnehmen, dass es diesmal alle waren, die mangelndes Verständnis für angemessene Sozialpolitik zeigten.

Wie das?

Wer den Artikel zum Thema in der Idsteiner Zeitung vom 05. Mai 2018 zur besagten Debatte nicht gelesen hat, weiß womöglich gar nicht, was die Familien- und Seniorenakademie (FSA) ist, um die es dabei geht. Und wer den Kommentar hierzu am selben Tag in derselben Zeitung gelesen hat, mag einen falschen Eindruck bekommen.

Denn auch, wenn es so klang (und vielleicht sogar in der Quintessenz so gewesen wäre), es ging im CDU-Antrag, der den Stein des Anstoßes bildete, zunächst nicht um die Auflösung der FSA. Vielmehr war beantragt, den bestehenden Vertrag mit den Kooperationspartnern vhs Rheingau-Taunus und Hochschule Fresenius zwar fristgerecht zu kündigen. Damit wäre aber eine  Situation geschaffen, die eine Neuverhandlung der bisherigen Konditionen durchaus erlaubt hätte.

Die ULI begrüßt ausdrücklich den Vorstoß der CDU als solchen. Sie hat versucht, einen Anfang zu finden, um einzelne Positiones des sowieso schon stark belasteten öffentlichen Haushalts auf den Prüfstand zu stellen. Dies wird mit der nächsten Haushaltsaufstellung noch kritischer notwendig sein als schon in der Vergangenheit, da große Mehrbelastungen durch die jährlichen zusätzlichen Verpflichtungen im Rahmen der HESSENKASSE auf Idstein zukommen. Größenordnung: fast 600.000 EUR pro Jahr – für die nächsten knapp acht Jahre.

Da wird man viele liebgewonnene und auch wertvolle Einrichtungen neu denken müssen.

Genau dies jedoch hat die CDU mit ihrem zunächst begrüßenswerten Antrag nicht getan – sie hat die FSA nicht neu gedacht. Sie hat keine Möglichkeiten aufgezeigt, wie man die öffentliche Hand entlasten kann, ohne dabei die FSA als solche einzustellen und ohne v.a. die Hauptzielgruppe, nämlich wirtschaftlich schlechtergestellte und/oder bildungsferne Gesellschaftsgruppen, um das bislang komplett kostenfreie Bildungsangebot der FSA zu bringen.

Das ist bedauerlich, denn angemessene Niederschwelligkeit kann durchaus erhalten bleiben, ohne die Vollalimentierung der FSA beizubehalten.

„FSA neu denken“

  • belastbare Analyse Teilnehmerstrukturen
  • Potential- & Zielgruppenanalyse
  • Restrukturierte Programmgestaltung gemäß Analysedaten
  • Gebühren-Clustering (inkl. kostenfrei) nach definierten Parametern
  • Bildungs-Patenschaften
  • offensives „Vermarktungs“konzept
  • Nachverhandlung bestehender Vertrag
  • Prüfung alternativer Trägerschaft
  • Alternative Rechtsform

Daher hätte die ULI es für klüger und zielführender im Sinne aller angesehen, wenn parallel zum Antrag der CDU diese ein Szenario skizziert hätte, mit dem man mit der Unterstützung mehrerer oder sogar aller Fraktionen im Stadtparlament in Nachverhandlungen des bestehenden Vertrages hätte gehen können – ungeachtet der sehr selbstbewussten Drohgebärde des vhs-Vertreters während der entsprechenden Ausschusssitzung:

Anstelle des bislang debattierten „Ganz (kostenfrei) oder gar nicht“ wäre die CDU gut beraten gewesen, im Zuge ihres Antrages für eine differenzierte, auf nachprüfbaren Parametern aufbauende solidarische Alternativ-Konzeptionierung der FSA zu werben. Diese Chance für eine politische Mehrheit und, darauf fußend, eine solide aufgestellte Verhandlungsposition hat die CDU ohne Not vertan. Auch ist sicherlich denkbar, als „Plan B“ (bei Weigerung der bisherigen Kooperationspartner, veränderten Vertragsbedingungen zuzustimmen)  eine alternative Rechtsform der FSA zu schaffen, die voll unter der Kontrolle der Stadt läge.

Bündnis 90/Die Grünen haben in derselben Sitzung zu anderem Thema richtigerweise gesagt, die Stadt solle sich das Zepter des Handelns nicht immer wieder aus der Hand nehmen lassen. Bei einer Neuverhandlung der FSA-Kooperation gilt dies genauso – entsprechende Möglichkeiten der Handlungsfreiheit als Chance zu erkennen und zu nutzen, ist von allen Fraktionen nicht gesehen und nicht genutzt worden.

Einmal mehr bleibt der ULI nur anzumerken, dass eine echte Debattenkultur mit ernsthaft Lösungs-orientiertem Denken und kreativer Innovationskraft im Idsteiner Stadtparlament nicht vorkommt. Ein Antrag ist ein Antrag ist ein Antrag – und wird in seiner vorgeschlagenen Form abgelehnt oder angenommen; jedoch nur äußerst selten als Ausgangsbasis für ein gemeinschaftliches Ringen um die beste Lösung für die Idsteinerinnen und Idsteiner begriffen.

 

Win-Win-Potential „FSA neu denken“

Wenn die Stadt Idstein die Durchführung der o.g. analytischen und konzeptionellen Denkanstöße „FSA neu denken“ in Zusammenarbeit mit der Hochschule Fresenius durchführt, z.B. im Rahmen eines bei Fresenius zu bearbeitenden Forschungs-projektes, wird die Partnerschaftlichkeit mit dem FSA-Kooperationspartner gestärkt.

Dies wirkt sich förderlich auf die Solidarität im gemeinsamen Streben nach einem für Anbieter wie für die Kurs-Teilnehmer mittel- und langfristig tragfähigen gemeinschaftlichen Konzept aus.

So bleibt die FSA bis auf weiteres vollalimentiert – zum Wohle der ca. 2% Idsteinerinnen und Idsteiner, die von den FSA-Angeboten tatsächlich Gebrauch machen; und gleichzeitig zulasten der übrigen 98% aller Bürgerinnen und Bürger.

Qualitative Sozialpolitik unter durchdachter Anwendung des Solidarprinzips allerdings sieht anders aus.

Die Hessenkasse – magere und fette Jahre

Zum 1. Juli 2018 wird die sogenannte HESSENKASSE, das Entschuldungsprogramm für durch Kassenkredite überschuldete hessische Kommunen, an den Start gehen.

In der vergangenen Woche gab es hierzu im hessischen Landtag eine Anhörung, nach deren Ende die Landtagsfraktion der FDP sich öffentlich mit Grundsatzkritik an der HESSENKASSE zu Wort meldete. Die Kritik überrascht nicht als solche, da in der Tat einige Parameter der HESSENKASSE nicht optimal gelöst scheinen. Das ist zum jetzigen Zeitpunkt aber ebenso wohlfeile wie müßige Kritik der FDP, denn die HESSENKASSE wird in jedem Falle kommen. Und es ist weitgehend klar, in welcher Form.

Ebenso klar ist, dass Kommunen wie Idstein klare Vorteile von ihrer Beteiligung an der HESSENKASSE haben – dafür aber auch einen ziemlich satten Preis zahlen müssen. Während die ULI daher begrüßt, dass sich Idstein am 22. März 2018 für die Teilnahme an der HESSENKASSE ausgesprochen hat,  haben wir mit Befremden zur Kenntnis genommen, dass bislang niemand darüber nachzudenken scheint, wie die ca. EUR 590.000 erwirtschaftet werden können, die nach aktueller Prognose mehr als 7,5 Jahre lang jedes Jahr zusätzlich zu allen anderen Haushaltsbelastungen für den gewährten Schuldenschnitt fällig werden.

Wesentlich ist aus Sicht der ULI, dass die Verantwortlichen hier klar- und weitsichtig die Auswirkungen jeder möglichen Maßnahme analysieren – sonst droht ein langfristiger Standortnachteil für Idstein, verursacht durch von kurzfristigen Nöten getriebene Haushaltsplanung.

Vor allem die im HESSENKASSE-Zusammenhang aktuell noch umstrittene Gewerbesteuerumlage benennt eines der zentralen Themen zum Erhalt (oder sogar der Verbesserung) der Qualität Idsteins als Standort für Handel, Wirtschaft und Gewerbe:

Nachdem der Gewerbesteuerhebesatz zuletzt in 2017 angehoben wurde, darf Idstein auf keinen Fall ein weiteres Mal  die Gruppe der Gewerbetreibenden unverhältnismäßig stark (über Gewerbesteuer wie Grundsteuer B) belasten, um den kommunalen Haushalt trotz HESSENKASSE-Zahlungsverpflichtungen ausgeglichen zu halten. Dies ließe die Prinzipien von Sozialsolidarität und Gleichbehandlung außer Acht und trüge auf nachgerade gefährliche Art dazu bei, dass Idstein als Wirtschaftsstandort massiv an Attraktivität verlöre. In der Konsequenz wäre mit fehlendem Zuzug und verstärkter Abwanderung von Gewerbebetrieben zu rechnen, was dann nicht erhöhte, sondern verminderte Gewerbesteuereinnahmen generierte. Das wäre der typische Beginn einer Abwärtsspirale des partnerschaftlichen Verhältnisses zwischen einer Kommune und ihren Gewerbetreibenden und ist unbedingt zu vermeiden, um keinen langfristigen Standortschaden für Idstein zu schaffen.

Die Deutsche Industrie- und Handelskammer wird seit vielen Jahren nicht müde, eine Alternative zur Gewerbesteuer dringlich zu empfehlen, die diese ersetzen kann und dabei signifikanten Mehrwert schafft: Eine gewinnabhängige Kommunalsteuer mit eigenem Hebesatz verbände das Angenehme mit dem Nützlichen, schon weil sie von allen wirtschaftlich Tätigen in Idstein zu zahlen wäre, also z.B. auch von allen Angehörigen der klassischen Katalogberufe wie Ärzten, Anwälten, Architekten, Steuerberatern  und Apothekern, die zur heute gültigen Gewerbesteuer nicht beitragen.

Unternehmen leisten einen großen Beitrag zur Stärke der Wirtschaftsregion Hessen. Der Anteil der von den Unternehmen entrichteten Gewerbesteuer (Istaufkommen) am gesamten Realsteueraufkommen der hessischen Kommunen lag im Jahr 2016 bei 82 Prozent. Hinzu kommt der Beitrag der Unternehmen zum Aufkommen der Grundsteuer B.

Damit wäre die Steuerlast  nicht nur gleichmäßiger, sondern auch breiter verteilt, was das Solidaritätsprinzip zwischen den verschiedenen Gruppen wirtschaftlich Tätiger stärkt und gleichzeitig nicht nur absolut höhere Realsteuerbeträge in die Stadtkasse spült; sondern zudem weniger starke jährliche Schwankungen zeigen wird als die heutige Gewerbesteuer mit ihrem komplexen Berechnungsregelwerk. Damit wäre ein ganz wichtiger Grundstein für eine wirklich verlässliche Prognostizierung im jeweiligen Haushaltsplan gelegt.

Selbstverständlich wird allerdings auch solche eine gewinnabhängige Realsteuer alleine nicht ausreichend sein, um die zusätzlichen Einkünfte zu erwirtschaften, die Idstein für die Finanzierung der HESSENKASSE jährlich aufbringen muss.  Ergänzende Maßnahmen, die die Last auf die verschiedenen sozialen und wirtschaftlichen Gruppen der Stadtgesellschaft breit und nach jeweiligem Wirtschaftsvermögen paritätisch verteilt, werden notwendig sein. So wird man sicherlich auch über wenig populäre Entscheidungen sehr ernsthaft nachdenken müssen.

Um eine entsprechend breite Akzeptanz bei den Bürgerinnen und Bürgern zu bewirken, ist daher dringlich geboten, dass Politik und Verwaltung gemeinsam und mit einer Stimme klar und ohne Beschönigungen über die vor uns allen liegende Aufgabe sprechen. Öffentlichkeitsarbeit und Bürgerbeteiligung sind die Schlüssel für die Schaffung der in den kommenden sieben bis acht Jahren unabdingbar notwendigen Solidarität der gesamten Stadtgesellschaft. Darüber hinaus birgt die aktive Einbindung von sachkundigen Idsteinerinnen und Idsteinern die Chance für neue haushälterisch nutzbare Impulse.

Denn eines ist klar: Die neuartige Problemstellung durch die HESSENKASSE wird sich sicherlich nicht mit den alten Methoden wie Anhebung der Gebühren und Abgaben angemessen und zukunftsfähig adressieren lassen.

Stattdessen braucht Idstein jetzt den politischen Willen, gemeinsam mit allen sozialen Gruppen einen Weg zu finden, der die HESSENKASSE-Finanzierung über die bevorstehenden fast sprichwörtlichen sieben mageren Jahre ermöglicht.

Hierfür ist aktives Werben für die Akzeptanz auch vordergründig unpopulärer Maßnahmen notwendig, Hand in Hand mit sinnhaften innovativen Neuerungen beim Realsteuerinstrumentarium und bei der Haushaltsstrukturierung, auch auf der Ausgabenseite.

Wenn wir alle über politische und gesellschaftliche Grenzen hinweg zusammenarbeiten, als Idsteinerinnen und Idsteiner, die gerne in unserer Stadt leben und dafür auch temporäre Einschränkungen in Kauf zu nehmen bereit sind, dann wird die HESSENKASSE ihr Ziel in Idstein erreichen und neue städtische Handlungsspielräume für die Zukunft schaffen, ohne den Wohn- und Wirtschaftsstandort Idstein zu schwächen.

Auf ein Wort… Frau Sachse-Domschke und Herr Pfarrer Eisele (Teil 2)

ULI: Wenn wir über „demografischen Wandel“ nachdenken, meinen wir oft „mehr ältere und alte Mitbürger“, vergessen dabei aber womöglich die jungen Menschen und auch die „neuen“ Bürgerinnen und Bürger, also diejenigen, die zu unserer Gemeinde oder unserem Dorf neu hinzugestoßen, aber womöglich noch nicht so recht im Gemeinwesen angekommen sind.

Wie wird Quartier 4 den Teilhabe-Gedanken so zünden lassen, daß generationenübergreifend und bei Neu- wie bei Altbürgern selbstverständlich wird, daß unser Gemeinwesen besser funktioniert, wenn jede/r von uns etwas zu geben bereit ist, aber umgekehrt auch etwas nehmen darf?

Pfarrer Eisele: Ich glaube, eine Idee, deren Zeit gekommen ist, erreicht ganz von selbst Menschen, die sich begeistern lassen und verstehen, um was es hier geht.

Dass man bei diesem Thema es auch oft mit Leuten zu tun hat, für die „alles in Ordnung“ ist, wie es ist, gehört dazu. Die Perspektiven sind halt doch sehr verschieden.

Aber wer am eigenen Leben spürt, dass sich was drehen muss, der wird froh und dankbar sein, dass es die Chance gibt, sich für eine sehr wichtige Sache einzusetzen, deren Früchte man vielleicht erst in ein paar Jahren so richtig ernten kann.

Sachse-Domschke: (lacht) Puh, allein wenn ich die Frage höre, tritt mir schon der Schweiß auf die Stirn, bei den unterschiedlichen, zum Teil konkurrierenden Aspekten, die darin stecken. In der Tat habe  ich schon ab und an gedacht: „Was für ein dickes Brett haben wir uns da vorgenommen?! Zu groß für uns?!“

Für uns drei, die wir Quartier 4 letztes Jahr starteten, vielleicht zu groß…

Aber mittlerweile tragen schon 12 Menschen viele Stunden im Monat, und überwiegend ehrenamtlich!, zum Gelingen des Projekts bei, und rund 50 weitere Menschen arbeiten, diskutieren und suchen gemeinsam nach Lösungen für unsere Fragestellung.

Wie konnte das zünden? Durch viel eigene Überzeugung für die Sache und Spaß daran! Mit Mut und auch etwas Übermut! (lacht) Und indem wir darüber reden, es weitertragen und Menschen spüren lassen, dass hier eine Gemeinschaft wächst, von der jeder die Früchte ernte kann: Menschen jeden Alters, Alt- und Neubürger, Familien, Alleinstehende, ….

ULI: Frau Sachse-Domschke, Herr Pfarrer Eisele, Sie sind so etwas wie die geistigen Eltern von Quartier 4; und als Elternteil entwickelt man Vorstellungen und Wünsche für die „Kinder“.

Wenn Sie in ein paar Jahren auf das dann Erreichte schauen, über was freuen Sie sich am meisten? Und welche Aspekte könnten für das Gelingen besonders wichtig gewesen sein?

Pfarrer Eisele: Ich finde, dass es schon eine Riesensache ist, dass Menschen angefangen haben, darüber zu sprechen, wie sie sich ihr Zusammenleben vorstellen – als Eltern, als Ruheständler, als Menschen, die wissen, dass eine Zeit kommt, in der sie auf die Unterstützung anderer angewiesen sind. Die falsche Ideologie, dass alle am glücklichsten sind, wenn nur jeder für sich alleine sorgt, kommt an ihr Ende.

Die Herausforderung besteht darin, ausreichend langen Atem zu haben und sich auch durch kleinere Rückschläge oder Durststrecken nicht entmutigen zu lassen.

Quartier 4 ist immer noch ein bisschen Aventgarde  – aber so beginnt Veränderung immer. Im Kleinen, zaghaft, aber mit Vision und Leidenschaft. Um es im Bild zu sagen: Bevor eine Blume blühen kann, braucht sie Wurzeln, die über längere Zeit ganz unbemerkt wachsen. Ich glaube, unsere Initiative wird bunt und vielfältig wie eine Blumenwiese werden. Und das Beste daran: Vieles wird passieren, ohne dass es ursächlich mit Quartier 4 in Verbindung gebracht wird. Einfach, weil Leute den Punkt verstanden haben und an den Orten und Stellen, wo sie leben oder Verantwortung haben, selbst aktiv werden.

Ich träume von einer inklusiven Geselllschaft, in der Menschen auf Menschen achten und jeder seinen Platz findet, da wo das „normale“ Leben stattfindet, egal ob jung oder alt, mit oder ohne gesundheitliche Einschränkungen, dement oder nicht und so weiter.

Sachse-Domschke: Es wäre eine Freude für mich, wenn Strukturen, die heute von den Dorfgemeinschaften als fehlend, aber wichtig für ihre Zukunft als Generationengemeinschaft erkannt werden, mit Hilfe von Quartier 4 umgesetzt wurden oder zumindest auf dem Weg dahin sind.

Vorstellbar sind für mich z.B. ein durch die Dorfgemeinschaft betriebenes Cafe in Bermbach, für die Orte Kröftel, Niederrod und Oberrod ein gut funktionierender bürgerschaftlich organisierter Fahrdienst und für Heftrich vielleicht ein innovatives Wohnprojekt.

Egal was es wird, die Dorfbewohner sollten sich mit ihrem Projekt identifizieren und über das Projekt eine Stärkung ihrer Gemeinschaft erfahren.

Die ULI bedankt sehr herzlich bei Frau Sachse-Domschke und Herrn Pfarrer Eisele für das offene Gespräch und wünscht beiden auf ihrem weiteren Weg alles Gute und viel Erfolg.