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Die Stadtverordnetenversammlung hat am 16.05.2024 eine weitere Bürgschaft über 8 Mio. Euro beschlossen, mit 31 Ja-Stimmen, acht Nein-Stimmen und drei Enthaltungen.
Die Beschlussfassung erfolgte ohne ausreichend belastbare Informationsgrundlage in Bezug auf die wirtschaftliche Situation und Planung der ISF.
Zukünftige Entscheidungen der Stadtverordnetenversammlung bezüglich Restfinanzierungsbedarf und anderen politischen Aspekten, sollen auf einer angemessenen Datenlage beruhen.
Die hier nachgefragten Zahlen sind betriebswirtschaftlich gängige Praxis und sollten bei solider Geschäftsführung bis zum Beginn der Haushaltsberatungen vorgelegt werden können.

Das ist die nüchtern-faktische Begründung unseres jüngsten Antrags zur Causa Tournesol. Damit beantragten wir die eigentliche Selbstverständlichkeit belastbarer Tournesol-Geschäftsplanungsinformationen, als Grundlage zukünftiger Entscheidungen.

Auch wenn die ULI damit, einmal mehr, nicht die Mauer des bewussten Augen-zu-und-Durch der politischen Mehrheit aufbrechen konnte, sehen wir einen Teilerfolg:
Mit unserem nimmermüden Nachbohren, das Mantra-artige Lippenbekenntnis der „größtmöglichen Transparenz“ in Sachen Finanzlage/Finanzierung Tournesol auch wirklich mit faktisch Belastbarem unterlegt zu bekommen, spüren wir zunehmend, dass es für Politik und Verwaltung schwerer wird, sich den politisch nicht nur legitimen, sondern dringlich notwendigen Fragen der ULI zur Geschäftsplanung zu entziehen.

 

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Als jüngster Höhepunkt wurde der o.g. Antrag der ULI gar nicht erst politisch beraten, sondern die Verwaltung (in Person des ebenfalls als ISF-Geschäftsführer agierenden Amtsleiters) bittet die Mitglieder des Haupt- und Finanzausschusses (HFWA) am 20.06.2024 eindringlich, doch zunächst die Stellungnahme der ISF zum ULI-Antrag zu lesen, dann habe sich der Antrag doch sicher erledigt. Entgegen der üblichen Vorgehensweise, Stellungnahmen direkt im Ausschuss vorzutragen, sollte die vielfach benannte ISF-Stellungnahme den HFWA-Mitgliedern erst mit dem Protokoll am 26.06.2024 zugänglich gemacht werden (obwohl sie bereits am 17.06.2024 verfasst worden war). Damit war ein politischer Austausch im dafür vorgesehenen Arbeitsgremium des HFWA beendet, bevor er auch nur begonnen hatte.

Was allerdings bereits im HFWA klar wurde, war die grundsätzliche Haltung zu jedem Versuch, Licht ins Tournesol-Finanzdunkel zu bringen:

Gerhard Dernbecher, zu Beginn der Wahlperiode noch FWG-Stadtverordneter, ist zwischenzeitlich Geschäftsführer der ISF. Dementsprechend erwartbar betont der FWG-Fraktionsvorsitzende Andreas Ott regelhaft, dass die Politik auf die Fähigkeiten der Geschäftsführung vertrauen könne und müsse, weitergehende Unterlagen der ISF für politische Entscheidungen also generell überflüssig seien.

SPD-Fraktionsvorsitzender Marius Weiß sekundiert eifrig, er sehe (laut öffentlicher Niederschrift TOP8) „die Transparenz als gegeben an“ – (16.07.2024: auf die schriftliche Bitte von Marius Weiß hin, haben wir das wörtliche Zitat entfernt).

Entsprechend hatten wir ULIs uns auf die Debatte in der Stadtverordnetenversammlung (StVV) am 04.07.2024 erneut umfassend vorbereitet, um doch noch weitere Fraktionen als die unser Anliegen unterstützende FDP davon zu überzeugen, dass unser Antrag nichts Unrechtmäßiges oder auch nur Ungewöhnliches fordere. Vielmehr fragt er schlicht und unverfänglich nach der Grundlage dessen, was andere gerne schlicht auf Treu und Glauben abnicken wollen.

Womit wir tatsächlich nicht gerechnet hatten, war die argumentative Hilflosigkeit, mit der die ULI in der StVV vermeintlich clever konfrontiert wurde:
In großer Einmütigkeit wurde der von der FWG-Fraktion eingebrachte Antrag, die ULI-Vorlage ohne Aussprache als erledigt zu erklären, von den Fraktionen von CDU, Bündnis 90/Die Grünen, FWG und SPD beschlossen. Begründet wurde der Antrag durch die mittlerweile vorgelegte ISF-Stellungnahme. Diese enthält viele Worte mit wenig Sachbezug und birgt eine sehr schlichte und einiges ungewollt offenbarende Botschaft: Die Geschäftsführung der ISF sieht sich nicht imstande, einen seriösen Geschäftsplan vorzulegen. Hauptgrund: Das Tournesol liefe noch nicht im Vollbetrieb und eine betriebswirtschaftliche Auswertung (= Rückschau, die von der ULI nicht gefragt war!) sei erst nach mindestens einem ganzen Jahr Betrieb möglich. Auch dann könne man in die Zukunft (um die es im ULI-Antrag geht) lediglich eine „Tendenzprognose“ abgeben.

Bei jedem nicht-kommunalen Unternehmen ist mit so einer Haltung die Insolvenz vorprogrammiert. Und für jede:n Gründer:in oder Unternehmer:in mit so einer achselzuckenden Haltung wäre jedes Investorengespräch sofort zu Ende. Ein solches Verhalten können sich kommunale Gesellschaften jedoch erlauben, wenn sie die politische Mehrheit auf ihrer Seite wissen, die sie verlässlich, am Tropf der Stadtkasse (und damit der Steuerzahler:innen) hängend, künstlich am Leben halten werden.

Und in der aktuellen Stadtverordnetenversammlung wird nun mal die Monstranz des „Wer-A-sagt-muss-auch-B-sagen“ von denjenigen Fraktionen stoisch weitergetragen, die begründete Sorge haben müssen, dass die finanziellen Entscheidungen in Sachen Tournesol von jeher auf tönernen Füßen gestanden haben. Da wird lieber mit zugekniffenen Augen gutes Geld dem schlechten hinterhergeworfen – und kaufmännisch Denkende wie die ULIs fühlen sich an den von Christian Morgenstern besungenen Palmström erinnert.

Unser Antrag wurde also ohne Aussprache für „erledigt“ erklärt, mit lapidarem Verweis auf die angebliche Nachvollziehbarkeit dessen, was bei Licht betrachtet eine arge Selbstentblößung der ISF-Geschäftsführung ist. So macht man unliebsame Stimmen (hier: der ULI) mundtot, wenn man keine Sachargumente hat. – Wenn es nicht um Unsummen von Steuergeldern ginge, könnte man über so viel politische Hilflosigkeit schmunzeln.

Für uns ULIs Bestätigung, dass wir auf dem richtigen Weg für einen umsichtigen Umgang mit öffentlichen Geldern und der Verantwortung, die ein politisches Mandat mit sich bringt, sind.

 

Das böhmische Dorf

Palmström reist, mit einem Herrn v. Korf,
in ein sogenanntes böhmisches Dorf.

Unverständlich bleibt ihm alles dort,
von dem ersten bis zum letzten Wort.

Auch v. Korf (der nur des Reimes wegen
ihn begleitet) ist um Rat verlegen.

Doch just dieses macht ihn blaß vor Glück.
Tief entzückt kehrt unser Freund zurück.

Und er schreibt in seine Wochenchronik:
Wieder ein Erlebnis, voll von Honig!

Christian Morgenstern