Zu spät und nicht zielführend

von 4.Jan 20235 Kommentare

In der Stadtgesellschaft wie auf den sozialen Medien machen seit dem Fahrplanwechsel und der Einführung des neuen sogenannten On-Demand-Busverkehrs „EMIL“ die Nutzer: innen des innerstädtischen ÖPNVs ihrem Unmut Luft:

Seitdem neuerdings die Busse der Linien 221 und 222 nur noch ein temporäres Ergänzungsangebot zur Grundversorgung durch EMIL darstellen, ist Busfahren in der Kernstadt für viele Fahrgäste unbequemer, teurer und zum Teil sogar unmöglich geworden: Wer nicht über ein Smartphone und unbare Zahlmöglichkeiten verfügt, wer mit Rollator zwischen 9 und 13 Uhr oder am Wochenende Bus fahren möchte, der wird dies nicht mehr ohne weiteres tun können, denn zu diesen Zeiten fahren nur zwei EMIL-Kleinbusse im Stadtgebiet herum. Diese wollen per App gerufen und unbar bezahlt werden und nehmen Rollatoren (wie auch Kinderwagen, Hunde und ähnliches „Sperrgut“) nicht mit.

Sowohl die CDU als auch die FWG haben sich bereits mit empörtem Unterton den Beschwerden der Bevölkerung angeschlossen: Die CDU sprach von einem „Fehlstart“ und „systemischen Fehlern“ und fordert „schnelle Abhilfe“, die sie sich vom sogenannten Fahrgastbeirat erhofft, den sie schnell zur „Heilung“ des eigenen Fehlers beantragt hat. Auch die FWG fordert „eine schnelle Verbesserung im Idsteiner Stadtbusverkehr“ und sieht dabei den Bürgermeister in der Pflicht, „konkrete Maßnahmen“ zur „Verbesserung der aktuellen Mißstände“ umzusetzen.

Bei so kurzem Gedächtnis der Kolleg: innen aus anderen Fraktionen will die ULI doch mal kurz an die langwierigen Debatten zum Thema in mehreren stundenlangen Gremien- und Sondersitzungen vor einem Jahr erinnern. Am Ende dieser Diskussionen hat der mehrheitliche politische Wille zur Einführung des originär von der SPD vorgeschlagenen Systems gestanden, das nun lautstark beklagt wird. Da der „Fehlstart“ schon damals absehbar war, haben wir das nun grandios auf den Bauch gefallene Konzept nicht mitgetragen und statt dessen nachdrücklich für eine Alternative geworben, in der EMIL nicht das Rückgrat des Busangebots gebildet hätte.

Es ist schon bemerkenswert, daß die Fraktionen der CDU und der FWG erst jetzt – nach erfolgter Vergabe und Umsetzung – verstehen, daß das mit ihren Stimmen verabschiedete Konzept für die Neuordnung des Stadtbusverkehrs nicht funktionieren kann. Von Anfang an haben der Stadtverordnete Patrick Enge (Bündnis 90/Die Grünen) und die Autorin mit viel Engagement zu verdeutlichen versucht, daß ein sinnvolles, für die Nutzenden akzeptables Stadtbuskonzept weiterhin auf der Grundversorgung durch die Linien 221 und 222 aufsetzen muß; und daß der neue und durchaus zukunftsweisende Baustein des EMIL lediglich ein Zusatzangebot darstellen sollte – nicht umgekehrt. Weiter erinnert sich die Verfasserin an das zähe Ringen um eine ausreichend attraktive Neuordnung des Busverkehrs in der Kernstadt.

Es ist schon tragisch, denn EMIL hätte einen tollen Start verdient gehabt: Das On-Demand-System kann nämlich vor allem in den Ortsteilen und bei deren Verbindung untereinander und mit der Kernstadt eine wichtige Rolle spielen. Es wäre höchst bedauerlich, wenn EMILs wichtiges infrastrukturelles Potential für die Ortsteile ohne Not durch die politisch vermurkste Kernstadt-Premiere verbrannt würde. Immerhin hat die ULI eine möglichst rasche Umsetzungsprüfung für alle Ortsteile noch erfolgreich in dem ansonsten wenig vorausschauenden politischen Beschluß unterbringen können.

Die Einrichtung eines Fahrgastbeirats, der jetzt von CDU und FWG offenbar mit viel Hoffnung aufgeladen wird, haben wir als ULI-Fraktion nicht mitgetragen. Ein solcher Beirat wird keinerlei Weisungskompetenz oder auch nur Mitspracherecht gegenüber der Busbetreibergesellschaft RTV haben. Somit wird er lediglich eine nicht zielführende Mehrbelastung für die Verwaltung der Stadt Idstein bedeuten.

„Sich der mangelnden Weitsicht des SPD-Antrags zunächst anzuschließen und die Alternativoption zu verwerfen, nun aber lautstark die verbale Faust gegen die Umsetzung des eigenen Votums zu schütteln, erscheint schon recht populistisch“, konstatiert ULI-Fraktionsvorsitzende Ursula Oestreich. „Eine Korrektur der auf 8 Jahre an die RTV vergebenen Leistung ist jetzt nicht mehr ohne weiteres und schon gar nicht kurzfristig möglich. Das zeigt schon ein Blick auf die fehlenden Haushaltsmittel, die keine signifikanten Leistungszubuchungen in 2023 erlauben (Leistungsrücknahmen sind ausgeschlossen). Daran wird auch die geforderte Delegation an einen nicht ermächtigten Beirat oder den Bürgermeister, der hier ebenfalls keine Zuständigkeit besitzt, nichts ändern.“