Auf ein Wort … Frau Hartmann-Menz, Historikerin (Teil 3)

Ruth Pappenheimer

geboren am 8. November 1925 Frankfurt/Main
ermordet am 23. Oktober 1944 Kalmenhof (Idstein)

Ruth Pappenheimer wurde durch zwei im Abstand von mehreren Stunden verabreichten Morphiumspritzen planvoll getötet.

Am 23. Oktober 1944 fertigt das Standesamt Idstein eine Sterbeurkunde für die am 8. November 1925 in Frankfurt am Main geborene Ruth Pappenheimer aus. Verantwortlich für die darin enthaltenen, unrichtigen Angaben zeichnet der seit Mai 1944 im Idsteiner Kalmenhof als Anstaltsarzt beschäftigte Mörder der jungen Frau, Hermann Wesse. Das Dokument weist als Todesursache des „Anstaltspfleglings unbekannter Eltern“, der um 10.00 Uhr morgens verstorben sei, „Bronchopneumonie, Herz- und Kreislaufschwäche“ aus. Bewusst falsche Angaben zur Todesursache entsprachen gängiger Praxis bei den vielen hundert in der „Kinderfachabteilung“ des Idsteiner Kalmenhofs Ermordeten.

Lesen Sie weiter: Gedenkort – T4

Lesen mehr bei: Wikipedia – Ruth Pappenheimer

Nach dem ersten Teil und dem zweiten Teil unserer Gesprächsrunde mit Martina Hartmann-Menz, folgt nun der dritte Teil.

ULI: Was erhoffen Sie sich von der Stadt Idstein?

Hartmann-Menz: Die Gremien der Stadt Idstein haben einstimmig die Ortung der Gräberfelder auf dem Kalmenhof eingefordert. Dies ist ein erster guter Schritt. Dennoch bedarf es, wie vielerorts, auch in Idstein der großräumigen Aufarbeitung der NS-Geschichte von kommunaler Seite. Diese ist in Idstein eng mit der Geschichte des Kalmenhofes verzahnt. In Idstein, wie überall dort, wo eine Tötungseinrichtung der NS-Zeit eingerichtet worden war, gibt es ein „Innen“ und ein „Außen“. Es gibt Bedingtheiten und Wechselseitigkeiten – sowohl in der Zeit von 1933 und 1945 wie auch in den nachfolgenden Jahren der Aufarbeitung – oder eben Nicht-Aufarbeitung. Sich diesem Komplex und den damit verbundenen Fragestellungen zu öffnen, ist ein Prozess. Zuweilen sind es Debatten wie die um den geplanten Verkauf des Krankenhauses auf dem Kalmenhof, die Impulse für eine Aufarbeitung der NS-Zeit setzen. Ähnliches habe ich im Landkreis Limburg-Weilburg erlebt, wo die ab 2011 geführte Debatte um die NS-Involvierung des ehemaligen Landrates Heinz Wolf zu einem öffentlichen Nachdenken über die NS-Zeit geführt hat.

ULI: Wo sehen Sie den Idsteiner Kalmenhof in 10 Jahren?

Hartmann-Menz: Die rechtsverbindlichen Vorgaben des Gräbergesetzes sind bis dahin vollinhaltlich umgesetzt. Das großräumig geortete Gräberfeldes wird so gestaltet, dass die Namen aller Opfer genannt werden. Im dann sanierten ehemaligen Krankenhaus ist eine Institution untergebracht, die dem Gedenken ausreichend Raum lässt. Die Dauerausstellung aus dem Verwaltungsgebäude ist nach dem dann vorliegenden Forschungsstand überarbeitet und jederzeit zugänglich. Biografien der Opfer können durch eine App mit Bild und Ton abgerufen werden. Die gesamte Anlage wird in jeder Hinsicht barrierefrei gestaltet. Es  erfolgt eine kontinuierliche Aufarbeitung der Geschichte, die auch die Zeit der „schwarzen Pädagogik“ berücksichtigt.

 

Wir danken Ihnen sehr für dieses Gespräch, Frau Hartmann-Menz.

Martina Hartmann-Menz M.A.

Studium der Geschichte, Germanistik und Anglistik in Frankfurt/Main
Abschluss in englischer Wissenschaftsgeschichte
Lehrerin an der Fürst-Johann-Ludwig und der Glasfachschule Hadamar

Berufenes Mitglied der Historischen Kommission für Nassau
Mitarbeiterin der Gedenkstätte Hadamar (2004-2011)
Interkulturelle Arbeit in diversen Gremien
Forschungen zur Regionalgeschichte mit den Schwerpunkten  Holocaust, Patientenmord, jüdische Geschichte
Biografische Recherchen zu Frankfurter Opfern des Holocaust mit Schwerpunktsetzung auf sog. „Asoziale“
Wissenschaftliche Beteiligung (2012) bei der posthumen Aberkennung des Ehrenbürgerrechts für den NS-Täter und ehem. Landrat im Landkreis Limburg, Heinz Wolf
Erstellung des Gutachtens (2014) zur Biografie und ideologischen Verankerung des NS-Pädagogen Franz Kade als Diskussionsgrundlage der im Jahr 2015 erfolgten Umbenennung der ehemaligen Franz-Kade-Schule in Idstein Wörsdorf
Mitglied in der von Vitos Eichberg (2016) einberufenen Kalmenhof-Kommission
Mitarbeit in den Stolpersteine-Initiativen Frankfurt, Kassel, Stuttgart, Hadamar und Bad Camberg
Forschungsprojekte: Opfer des Patientenmordes im erweiterten Landkreis Limburg Weilburg; Elz in der NS-Zeit mit Erstellung der Biografien für die Verlegung von Stolpersteinen im Auftrag der Gemeinde Elz.

Auf ein Wort … Frau Hartmann-Menz, Historikerin (Teil 2)

Nach dem ersten Teil, fahren wir fort mit der nächsten Gesprächsrunde mit Martina Hartmann-Menz.

ULI: Was ist in Idstein zu tun?

Hartmann-Menz: Sinnvoller Weise sollte der Volksbund Kriegsgräberfürsorge der für solche Fragen zuständig ist und die notwendige, langjährige Expertise vorweisen kann, eine weiträumige Ortung des Gräberfeldes übernehmen. Diesen Vorschlag habe ich dem Gremium bereits nach der 1. Sitzung der Kommission im November 2016 unterbreitet und hoffe sehr, dass dieser Vorschlag Zustimmung findet. Es geht um nichts Geringeres als um späte Gerechtigkeit für diejenigen Opfer des NS-Terrors, die lange vergessen und verdrängt waren. In der real existierenden Gedenkhierarchie der Bundesrepublik Deutschland kommt es erst allmählich zu einem Bewusstseinswandel – dies, obwohl die Opfer der sog. „Euthanasie“ mit dem Jahr 1951 per Bundesgesetz auf eine Stufe mit allen anderen Verfolgten oder Opfern des Krieges gestellt wurden. Wie unterschiedlich die Umsetzung in Idstein erfolgt ist, liegt beim Blick auf den Kriegsgräberfriedhof offen zutage.

ULI: Haben Sie Ideen, wie das ehemalige Krankenhaus und die Leichenhalle in ein Konzept des Erinnerns und Gedenkens eingebunden werden könnten?

Hartmann-Menz: Die Verantwortlichen müssten sich auf die Suche nach einem Bildungsträger, einer Stiftung oder einer Institution machen, die im ehemaligen Kalmenhof-Krankenhaus Erinnern ermöglicht und hieraus gesellschaftliche Impulse für eine zukunftsgewandte Arbeit schöpft. Ein Abriss oder eine Nutzung in einem Kontext, der die Historie der Gebäudes außer Acht lässt, hielte ich für ein vollkommen falsches Signal – zumal in der gegenwärtigen politischen Lage. Populisten und Vertreter der äußersten Rechten agitieren offensiv gegen die Gedenkkultur der Bundesrepublik Deutschland. Begrifflichkeiten oder Denkweisen, die in unmittelbarem Bezug zur NS-Zeit stehen, sollen wieder hoffähig gemacht werden. Als Reaktion hierauf gibt es einen starken Zuspruch bei Gedenkveranstaltungen und kulturellen Veranstaltungen mit der Zielrichtung der Aufarbeitung der NS-Zeit. Sollte der Rechtsnachfolger einer Institution, die zehntausendfachen Massenmord geplant, durchgeführt und erst spät aufgearbeitet hat, in dieser hochbrisanten gesellschaftlichen Lage einen Tatort verschwinden lassen?

Martina Hartmann-Menz M.A.

Studium der Geschichte, Germanistik und Anglistik in Frankfurt/Main
Abschluss in englischer Wissenschaftsgeschichte
Lehrerin an der Fürst-Johann-Ludwig und der Glasfachschule Hadamar

Berufenes Mitglied der Historischen Kommission für Nassau
Mitarbeiterin der Gedenkstätte Hadamar (2004-2011)
Interkulturelle Arbeit in diversen Gremien
Forschungen zur Regionalgeschichte mit den Schwerpunkten  Holocaust, Patientenmord, jüdische Geschichte
Biografische Recherchen zu Frankfurter Opfern des Holocaust mit Schwerpunktsetzung auf sog. „Asoziale“
Wissenschaftliche Beteiligung (2012) bei der posthumen Aberkennung des Ehrenbürgerrechts für den NS-Täter und ehem. Landrat im Landkreis Limburg, Heinz Wolf
Erstellung des Gutachtens (2014) zur Biografie und ideologischen Verankerung des NS-Pädagogen Franz Kade als Diskussionsgrundlage der im Jahr 2015 erfolgten Umbenennung der ehemaligen Franz-Kade-Schule in Idstein Wörsdorf
Mitglied in der von Vitos Eichberg (2016) einberufenen Kalmenhof-Kommission
Mitarbeit in den Stolpersteine-Initiativen Frankfurt, Kassel, Stuttgart, Hadamar und Bad Camberg
Forschungsprojekte: Opfer des Patientenmordes im erweiterten Landkreis Limburg Weilburg; Elz in der NS-Zeit mit Erstellung der Biografien für die Verlegung von Stolpersteinen im Auftrag der Gemeinde Elz.

Auf ein Wort … Frau Hartmann-Menz, Historikerin (Teil 1)

Mit der Einstellung der Transporte nach Hadamar im August/September 1941 wurde im Idsteiner Kalmenhof eine sogenannte Kinderfachabteilung im zweiten und dritten Stock des Krankenhauses eingerichtet. Getötet wurde meist durch Vergiftung mit Medikamenten oder auch gezieltes verhungern lassen. Opfer waren Kinder und Jugendliche mit geistigen Behinderungen, Epileptiker, Mongoloide, „Idioten“ und „Schwachsinnige“, aber auch Jugendliche, die aus Sicht der Nationalsozialisten als arbeitsscheu oder asozial galten. Auffällig war, dass die Getöteten sich meist nur wenige Tage im Kalmenhof aufhielten, bevor sie verstarben. Die sogenannten Stammzöglinge waren deutlich seltener von Tötungen betroffen, da sie für den Betrieb des Kalmenhofs, des Lazaretts und die Bewirtschaftung des Hofguts Gassenbach eingesetzt waren.

Formal entschied der Reichsausschuss zur wissenschaftlichen Erfassung von erb- und anlagebedingten schweren Leiden in Berlin durch Ermächtigungen zum Töten. Er stützte sich dabei auf die Beurteilungen der Ärzte vor Ort insbesondere hinsichtlich der Brauchbarkeit und Bildungsfähigkeit. Den Ärzten war es möglich, Kinder zurückzustellen, für die eine Ermächtigung zur Tötung bereits vorlag. Also lag die letzte Entscheidung über eine Tötung immer bei den Kalmenhofärzten. Sie waren somit entgegen ihren eigenen späteren Darstellungen keine „bloßen Befehlsempfänger“. Das auf dem Kalmenhof eingesetzte Personal erhielt für jeden „Sterbefall“ eine Sonderzahlung, die zunächst bei 5,00 RM, später bei 2,50 RM lag.

Der letzte Brief von Emil W. aus der »Kinderfachabteilung« Kalmenhof

Da der städtische Friedhof nicht für die zahlreichen Sterbefälle am Kalmenhof ausreichte, wurden die Opfer zeitweise auf dem jüdischen Friedhof begraben, der 1942 angekauft worden war. Als auch dieser nicht ausreichte, wurde auf einem abgelegenen Ackergelände in der Nähe des Krankenhauses ein Gräberfeld eingerichtet. Die Begräbnisse wurden möglichst still und heimlich durchgeführt und waren letztlich ein einfaches Verscharren. Der hierbei verwendete Klappsarg konnte vielmals benutzt werden.

Der von 1932 bis 1947 in Idstein ansässige evangelische Pfarrer Boecker notierte im Kirchenbuch „… im Kalmenhof regiert jetzt der Tod“

Quelle: Wikipedia

 

Wir freuen uns, daß wir Frau Hartmann-Menz für dieses Gespräch gewinnen konnten.

ULI: Frau Hartmann-Menz, Sie sind in die im vergangenen Jahr eingesetzte Kalmenhof-Kommission berufen worden. Dieses Gremium wurde nach Bekanntwerden der Pläne für den Verkauf oder den Abriss des ehemaligen Krankenhauses sowie eines dazugehörigen, großen Grundstücks installiert. Was verbindet Sie mit dem Idsteiner Kalmenhof?

Hartmann-Menz: Wer sich mit der Erforschung der Biografien von Opfern des Patientenmordes im Bezirksverband Nassau befasst, stößt unweigerlich auf die um die Tötungsanstalt Hadamar eingerichteten sog. „Zwischenanstalten“, in welchen tausende von Menschen aller Altersgruppen und mit unterschiedlichsten Erkrankungen in den Jahren 1940 bis 1945 den Tod fanden. Hierzu gehören u.a. die Anstalten Weilmünster, Eichberg und eben auch der Kalmenhof. Dieser hat historisch gesehen noch eine ganz andere Bedeutung: Ursprünglich als Stiftung des liberalen, weltoffenen und um sozialen Ausgleich bemühten Frankfurter Bürgertums um die zentrale Stifterperson Charles Hallgarten errichtet, stand der Kalmenhof bis zum Jahr 1933 für interreligiöse Toleranz. Der Kalmenhof zeichnete sich dadurch aus, dass den dort untergebrachten Jugendlichen eine Zugewandtheit entgegengebracht wurde, die im Gedanken der Reformpädagogik wurzelte. Ein Klima, das nach der Übernahme des Kalmenhofes durch die Nationalsozialisten brachial in den Staub getreten wurde, bevor schließlich die Selektion, die systematischen Deportationen nach Hadamar und die Morde in der „Kinderfachabteilung“ einsetzten.

 

Charles Hallgarten
* 18.11.1838 Mainz
† 19.04.1908 Frankfurt/Main

Hallgarten, der gemeinsam mit Rudolph Ehlers und Karl Flesch zu den Hauptinitiatoren zur Gründung des Kalmenhofs zählt.

ULI: Frau Hartmann-Menz, seit der Errichtung der Kalmenhof-Gedenkstätte im Jahr 1987 sind mittlerweile 30 Jahre vergangen. Die Debatte in Idstein hat sich insbesondere an der Frage der bis heute nicht ausfindig gemachten Gräberfelder entzündet. Wie bewerten Sie diese Problematik vor dem Hintergrund des Gräbergesetzes der Bundesrepublik Deutschland?

Hartmann-Menz: Der Gedenkort am Kalmenhof kann nicht auf ausschließlich auf die Gräberfelder reduziert werden. Sowohl das Krankenhauses mit seiner wechselvollen Geschichte seit dem Jahr 1927, die dahinter liegende Leichenhalle wie eben auch das umliegende Gelände müssen als Tatort von NS-Verbrechen begriffen werden. Beim Blick in den Kalmenhof-Prozess der Jahre 1946/1947 fällt auf, dass die Mordtaten in der sog. „Kinderfachabteilung“ in einem unabweisbaren grauenvollen Dreiklang stehen. In den Zeugenaussagen zum Kalmenhof-Prozess der Jahre 1946/1947 wie auch den Voruntersuchungen der Staatsanwaltschaft werden Leichenhalle, Krankenhaus und Gräberfeld immer wieder in einem wechselseitigen Zusammenhang genannt: es handelt sich also um einen Tatort mit unterschiedlichen Schauplätzen. Richtig ist, dass das im Jahr 1951 erlassene Gräbergesetz (Gesetz über die Erhaltung der Gräber der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft) auf dem Kalmenhof nicht umgesetzt wurde, obwohl eine klare Vorgabe des Gesetzgebers existiert. Dass sich der LWV als Kommunalverband ein solches Versäumnis zuschulden kommen lässt, dies nicht nur am Standort Idstein, ist bemerkenswert.

 

Das Landgericht Frankfurt verurteilt im „Kalmenhof-Prozeß“ wegen Euthanasiemorden in erster Instanz den angeklagten Verwaltungsleiter Wilhelm Großmann und die beiden Ärzte, Hermann Wesse und Mathilde Weber, entsprechend der Strafanträge der Staatsanwaltschaft zum Tode, die Oberschwester Wrona zu acht Jahren Zuchthaus sowie die zwei restlichen Angeklagten wegen Misshandlungen zu zehn und vier Monaten Gefängnis. Das Verfahren zieht sich, da alle Verurteilten in die Revision gehen, bis Mitte der fünfziger Jahre hin. Bereits am 09.02.1949 verurteilt das Schwurgericht Frankfurt den 1947 noch zum Tode verurteilten Großmann sowie Mathilde Weber zu 4½ und 3½ Jahren Zuchthaus, die Oberschwester Wrona wird von der Beihilfe zum Mord freigesprochen. Großmann muss seine Reststrafe aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr antreten, Weber wird noch im Februar 1949 entlassen. Der Arzt Hermann Wesse wird wegen der von ihm in der Kinderfachabteilung Waldniel verübten Verbrechen in einem weiteren Prozess in Düsseldorf am 24.11.1948 zu lebenslangem Zuchthaus verurteilt und im September 1966 wegen Haftunfähigkeit entlassen.

 

ULI: Haben Sie hierfür eine Erklärung?

Hartmann-Menz: Für die Standorte Weilmünster, Eichberg und Kalmenhof aber auch Hadamar ist belegt, dass Initiativen zur wissenschaftlichen Aufarbeitung der dort geschehenen Verbrechen in der NS-Zeit ausschließlich von außen kamen. Der erste Impuls in Idstein wurde im Jahr 1981 durch Pfarrer Siebert (evangelische Kirchgemeinde Heftrich 1975-1983) gesetzt, der in einem Brief an die Leitung des Kalmenhofes „Spurensicherung vor Ort“ einforderte. Hintergrund war eine vom Pfarramt Heftrich und der Aktion Sühnezeichen durchgeführte Fahrt an die Stätten der Vernichtung in Polen. Noch im Jahr 1978 waren die Morde auf dem Kalmenhof im Rahmen der 90-Jahrfeier des Kalmenhofs öffentlich geleugnet worden (siehe ZEIT-Artikel „Euthanasie 40 Jahre Schweigen“). Selbstverständlich hat es hier inzwischen einen Bewusstseinswandel gegeben. Mit Blick auf die gegenwärtige Gedenkkultur in der Bundesrepublik Deutschland ist dennoch zu konstatieren, dass für die im Zuständigkeitsbereich des LWV (Landeswohlfahrtsverband) liegenden Stätten des Terrors deutlich Aufholbedarf besteht. Ganz sicher aber fehlt dem LWV als Kommunalverband mit vollkommen anderen Aufgaben die notwendige Expertise, die Gräberfelder fachgerecht zu orten.

 

Martina Hartmann-Menz M.A.

Studium der Geschichte, Germanistik und Anglistik in Frankfurt/Main
Abschluss in englischer Wissenschaftsgeschichte
Lehrerin an der Fürst-Johann-Ludwig und der Glasfachschule Hadamar

Berufenes Mitglied der Historischen Kommission für Nassau
Mitarbeiterin der Gedenkstätte Hadamar (2004-2011)
Interkulturelle Arbeit in diversen Gremien
Forschungen zur Regionalgeschichte mit den Schwerpunkten  Holocaust, Patientenmord, jüdische Geschichte
Biografische Recherchen zu Frankfurter Opfern des Holocaust mit Schwerpunktsetzung auf sog. „Asoziale“
Wissenschaftliche Beteiligung (2012) bei der posthumen Aberkennung des Ehrenbürgerrechts für den NS-Täter und ehem. Landrat im Landkreis Limburg, Heinz Wolf
Erstellung des Gutachtens (2014) zur Biografie und ideologischen Verankerung des NS-Pädagogen Franz Kade als Diskussionsgrundlage der im Jahr 2015 erfolgten Umbenennung der ehemaligen Franz-Kade-Schule in Idstein Wörsdorf
Mitglied in der von Vitos Eichberg (2016) einberufenen Kalmenhof-Kommission
Mitarbeit in den Stolpersteine-Initiativen Frankfurt, Kassel, Stuttgart, Hadamar und Bad Camberg
Forschungsprojekte: Opfer des Patientenmordes im erweiterten Landkreis Limburg Weilburg; Elz in der NS-Zeit mit Erstellung der Biografien für die Verlegung von Stolpersteinen im Auftrag der Gemeinde Elz.

Stadtentwicklung heißt, politische Verantwortung übernehmen

Der Ortsbeirat Idstein-Kern hat in weiten Teilen in der Tat Rückgrat gezeigt (siehe IZ vom 11.03.2017):

Letztlich wurde die Beschlußvorlage für die Bebauungsplanänderung (B-Planänderung) Marktplatz 6 / Escher Straße 8 – 10 in ihrer originären Form einstimmig abgelehnt; und selbst eine veränderte Form war nicht mehrheitsfähig.

Damit sind diejenigen Fraktionen, die sich vollumfänglich gegen die geplante Änderung ausgesprochen haben, ihrer politischen Verantwortung nachgekommen.

Denn nicht nur die ULI fragt sich, ob nur vordergründig über eine B-Planänderung debattiert wird.

Auch einige der Fraktionsvertreter haben in einer teilweise ungewohnt engagierten und erfrischend emotionalen Debatte deutlich erkennen lassen, daß es offenbar tatsächlich nicht in erster Linie um den B-Plan als städteplanerisches Instrument geht; sondern dieses nur baurechtliche Möglichkeiten schaffen soll, damit ein konkretes Bauvorhaben auf dem fraglichen Grundstück verwirklicht werden kann – den Wünschen des Bauherrn entsprechend, der diese im Rahmen des aktuellen baurechtlichen Rahmens nicht umsetzen könnte.

Um es einmal ganz klar zu benennen:
Es existiert ein B-Plan für das o.g. Grundstück. Innerhalb dessen Vorgaben hat der Eigentümer selbstverständlich das Recht, so zu bauen, wie die entsprechenden Vorgaben es zulassen. Nur scheinen die aktuellen Möglichkeiten ihm schlicht nicht zu genügen.

Aufgrund der hohen Bedeutung des fraglichen Grundstücks für die Wirkung der denkmalgeschützten Altstadt läßt der aktuelle B-Plan nur geringe Geschoßzahl, sich der historischen Altstadt anpassende Dachformen und andere sensible Vorgaben zu. Dies steht im Einklang mit der bereits im Herbst 1986 durch die Stadtverordneten beschlossenen „Bausatzung der Stadt Idstein über die Gestaltung baulicher Anlagen in der Altstadt Idstein“, die die historische Altstadt zu bewahren sucht.

Der vor allem seitens der SPD im aktuellen Verfahren immer wieder gebetsmühlenhaft vorgebrachte formalistische Einwand, das Grundstück Marktplatz 6 liege doch außerhalb des geschützten Altstadt-Ensembles, greift nicht. Dies zeigt auch der der sog. Aufstellungsbeschluß für die beantragte B-Planänderung überdeutlich. Dort heißt es nämlich:

„Das Grundstück befindet sich zwischen innerer Escher Straße und historischer Altstadt und moderner Neubebauung und kann deshalb keine allgemeine Gestaltungsfreiheit erhalten. Dem zur Folge ist insbesondere bei der Fassadengestaltung und dem optischen Gesamteindruck ein besonderes Augenmerk auf die städtebauliche Wirkung zu legen mit dem Ziel einer harmonischen Fernwirkung.

Von einer solchen „harmonischen Fernwirkung“ wird nicht gesprochen werden können, wenn erlaubt werden sollte, was geplant ist. Grob skizziert sähe die Verwirklichung des Bauvorhabens, um das es hier tatsächlich geht, nämlich so aus – in Höhe, optischer Fernwirkung (aufgrund von weitestgehender Rodung des bestehenden Baumbestandes) und Architektur, die andernorts schon treffend als „Würfelhusten“ charakterisiert wurde:

Die durch den bestehenden B-Plan gegebenen Optionen mögen für den Eigentümer lästig, ärgerlich oder schlicht zu kleinteilig sein.

Bis auf weiteres gilt aber auch für Dietmar Bücher noch das, was für jeden Bürger gilt, der Bauland erwirbt: „Augen auf beim Grundstückskauf“, sonst muß man sich selbige gegebenenfalls reiben, wenn nicht alle Vorstellungen zum erträumten Bauvorhaben im Rahmen des jeweiligen B-Plans verwirklichbar sind.

Die für den Satzungsbeschluss vorgelegten Baupläne entsprechen dem Ziel des Aufstellungsbescheides nicht. Dies wird auch von berufener fachkompetenter Seite bestätigt:

Die Planung geht in keiner Weise auf den Baustil der Altstadt ein. Dies betrifft sowohl die Fassadengestaltung als auch die Dachgestaltung, die Kubatur und die offenbar geplante Materialwahl. Es sind  Flachdächer vorgesehen, die Altstadt hat ausschließlich Gebäude mit geneigten Dächern. Die geplanten Balkone haben kein historisches Vorbild.

Die geplante Bebauung wird, auch aufgrund der notwendigen hohen Aufschüttungen, klar absehbar als Fremdkörper wirken. Dieser Fremdlörper wird umso deutlicher zutage treten, da zu bezweifeln ist, daß die in der B-Planänderung immerhin zum Erhalt vorgesehenen Bäume tatsächlich erhalten werden können. Bei den geplanten umfangreichen Hoch- und Tiefbaumaßnahmen wird dies kaum möglich sein.

Dipl-Ing. Ute Reinhardt

Stadtplanerin

Daher ist es jetzt an den Mandatsträgern, sich ihrer politischen Verantwortung würdig zu erweisen und ihr gerecht zu werden. Die Stadtverordnetenversammlung hat es in der Hand, eine ausreichend sensible und – ihrer eigenen Forderung gemäß – harmonische Gestaltung des möglichen Neubaus zu bestimmen.

Warum nicht sogar innerhalb der Grenzen dessen, was der aktuell gültig B-Plan zuläßt, d. h. ganz ohne ihn zu ändern.

Denn es geht ja nicht nur das Grundstück Marktplatz 6. Eine dortige signifikante Verletzung der bestehenden Altstadtsilhouette hätte auch eine zeitliche Fernwirkung auf andere zukünftige Bauvorhaben: Mit welcher Begründung sollte es einem anderen Eigentümer der hinteren Gärten zwischen Kreuzgasse und Escher Straße verwehrt werden, ebenfalls eine B-Planänderung von den politisch Verantwortlichen zu fordern, wenn man dieser Befriedigung privater Interessen jetzt gegenüber dem ersten Eigentümer seitens Politik und Verwaltung eilfertig nachkommt?

Die gewählten Politiker müssen den Bürgerinteressen im gegebenen Fall nachkommen und die von der ULI bereits benannte Reißleine jetzt ziehen. Anderfalls wird die Altstadt nachhaltig städtebaulich geschädigt werden; mit signifikanten Auswirkungen auf weitere Grundstücke und nachfolgende Bauvorhaben. Dies nimmt nicht nur Idsteinern die Freude am mittelalterlichen Flair der Stadt, sondern wird auch den Wirtschaftsfaktor Tourismus deutlich und dauerhaft beeinträchtigen.

Die ULI appelliert an die StVV, diesen Schaden für Idsteins Bürger und unsere Stadt nicht zuzulassen, nur um einem einzelnen Bürger zu Willen sein zu können.

Junge Köpfe – Junge Ideen: Deine Meinung ist gefragt

Ist ja typisch. Diese jungen Leute mal wieder. Interessieren sich für vieles, aber was im Bundestag verhandelt wird, ist ihnen schnurz. Saskia Benter etwa, 22 Jahre alt, findet die Debatten, die dort ausgetragen werden, viel zu akademisch und abgehoben. Hält Blogger für einflussreich, aber Politiker für weltfremd. Geht zwar zur Wahl, kann sich aber nur schwer entscheiden, wo sie ihr Kreuzchen machen soll.

Gefunden auf http://www.bpb.de/lernen/grafstat/grafstat-bundestagswahl-2013/142709/politik-jein-danke-dem-politikinteresse-von-jugendlichen-auf-der-spur-b1

Das Bild haben wir auf der Website der Bundeszentrale für politische Bildung gefunden

Kommt Dir bekannt vor?

Du denkst auch über Sachen und Situationen nach, die Dich und Dein Leben betreffen und vielleicht nicht so gut laufen?
Du würdest da gerne was tun, aber eher projektbezogen und in Deinem direkten Umfeld?

Das geht vielen jungen Leuten so. Das Zitat oben kommt aus einem SPIEGEL Online-Artikel, der klar machte:

„Diese jungen Leute“ haben wirklich keine Lust – nämlich vor allem keine Lust auf die Politik der herkömmlichen Parteien und wie die arbeiten.

 

Aber wie geht das, politisch was zu bewirken?
Klingt ja schon ziemlich schwierig und anstrengend — und mit wem kann man da überhaupt was zusammen machen?
Werden die anderen, die Älteren Euch überhaupt zuhören?

Klar, denn:

Junge Ideen werden in jungen Köpfen geboren.
In Euren Köpfen.

13 kluge junge Köpfe aus zehn verschiedenen Ländern haben sich gerade Gedanken darüber gemacht, was Ihr tun könnt, um nicht nur politisch zu denken, sondern auch was zu bewirken. Sie sagen: „Jetzt ist es an uns! Wir Jungen müssen uns engagieren.“

Und weiter:

Hast Du Lust (bekommen), was zu bewirken?

Die ULI will Dich und Deine Ideen kennenlernen.

Folge uns auf Facebook oder Meetup, damit Du die Termine für „Junge Köpfe – Junge Ideen“
in Idstein-Kern oder Deinem Ortsteil nicht verpaßt.