Frontalunterricht Physik statt Dialog mit den Bürgern

Frontalunterricht Physik statt Dialog mit den Bürgern

Sie nannte sich „Bürgerdialog Stromnetz“, die Veranstaltung, zu der am 14. September vom gleichnamigen Bündnis aus Marketing- und Moderations-Unternehmen in die Idsteiner Stadthalle eingeladen wurde.

Der angekündigte Dialog wurde, schon bevor er überhaupt startete, stark seitens der Moderatorin ins Regelkorsett gepresst:
Das Auditorium wurde vorab streng ermahnt, sich mit Fragen knapp zu fassen, vorhabenbezogene Aspekte zum hier in Idstein geplanten Ultranet nicht zu thematisieren und, vor allem, von persönlichen Angriffen auf die geladene Referentin, Dr.-Ing. Hannah Heinrich, abzusehen.

Erstaunlich strenge Worte und Regeln für etwas, das sich neutral-sachliche Information und Dialog mit besorgten Betroffenen auf die Fahnen geschrieben hatte. Die Mitarbeiter von „Bürgerdialog Stromnetz“ touren seit Monaten an der Seite von Vertretern des Ultranet-Vorhabenträgers Amprion durch die Republik und haben offenbar Erfahrungen gesammelt, die ihnen die o.g. schmallippige Ansage angebracht erscheinen ließ.

Dr.-Ing. Hannah Heinrich

re: Oliver Cronau, Leiter Genehmigungen/Umweltschutz Leitungen Amprion

Derart eingeleitet stieg Dr. Heinrich in ihre Frontalvorlesung Physik ein, unter der aufmerksamen Beobachtung der anwesenden Amprion-Mitarbeiter Joelle Bouillon (Unternehmenskommunikation) sowie dem Leiter Genehmigungen/Umweltschutz Leitungen Oliver Cronau, die interessanterweise bei der vorgeschalteten Begrüßung der Vertreter von Kommunalpolitik und -verwaltung unerwähnt blieben.

Die von Physik-Interessierten durchaus geschätzten Details zu Wechsel- und Gleichstrom als solchem gingen leider an dem, was das Auditorium vorrangig interessierte, thematisch komplett vorbei. Die Idsteiner Zeitung repetierte den Inhalt der „Physikstunde“ zwar treulich, quasi als Vorlesungs-Skript; dies trug aber leider nach Ansicht der ULI auch nicht angemessen zur Einordnung dessen bei, wie die Fragen und Besorgnisse der Idsteiner Betroffenen beanwortet werden können.

Es ist schon richtig: Es gab für die kritisch-interessierten Beobachter der ULI wenig Anlaß für die Vermutung, daß die Ausführungen Dr. Heinrichs sachlich fehlerhaft sein könnten. Was jedoch für viele zu spüren war und anhand einiger dezidierter Nachfragen aus dem Auditorium, u.a. auch durch die ULI, schließlich ausdrücklich klar wurde:
Was richtig ist, kann dennoch unvollständig oder – im hier diskutierten Zusammenhang Ultranet-Besorgnisse der Bevölkerung – irrelevant sein.

Und im vorliegenden Falle waren Dr. Heinrichs Ausführungen leider beides:

Verkürzt und damit verfälschend an den Stellen, an denen sie überhaupt einmal auf die zentrale besorgte Frage der Bevölkerung einging, nämlich auf das etwaig vorhandene oder klar auszuschließende Vorliegen akuter und/oder chronischer Auswirkungen der elektrostatischen wie magnetostatischen Felder und, vor allem, der von ihnen ausgelösten Sekundäreffekte (hierzu gehören z.B. Feinstaubwolken ionisierter Partikel, die im Bereich der Hochspannungsleitungen entstehen und vom Wind vertragen werden können).

Es ist auf der einen Seite zwar richtig, daß eine derartige womögliche Gesundheitsgefährdung für bestehendes wie auch ungeborenes Leben nicht eindeutig und nicht im Kausalzusammenhang mit, z.B., ionisierender Strahlung gezeigt werden konnte.

Aber es gibt durchaus Berichte, die einen solchen Zusammenhang mindestens nahelegen und auch eine statistische Abhängigkeit von Ionenwolken und etwa kindlicher Leukämie zeigen:

p

Übersetzung des nebenstehenden Textes

„Epidemiologische Studien haben immer wieder und übereinstimmend eine positive Abhängigkeit zwischen extrem niederfrequenten magnetischen Feldern und Leukämie des Kindesalters festgestellt, mit einem offensichtlich 2-fach erhöhten durchschnittlichen Risiko bei 24-stündiger Exposition von Strahlungsintensitäten über 0.3 – 0.4 µT (siehe. Abb. 2.8.5.)

Allerdings ist ein kausaler Zusammenhang bislang nicht zweifelsfrei dargestellt worden, aufgrund der bei Beobachtungsstudien bestehenden Möglichkeit von Verzerrungen und konfundierenden Effekten [d.h. nicht ausreichend herausfilterbaren oder herausgefilterten womöglichen Störvariablen]; und aufgrund der Tatsache, daß entsprechende weitergehende Evidenz aus experimentellen Studien und seitens mechanistischer Daten bislang fehlen.

Falls ein Kausalzusammenhang allerdings in der Tat besteht, lassen sich schätzungsweise < 1 – 4% aller Fälle von kindlicher Leukämie auf die Exposition in extrem niedrigfrequenten magnetischen Feldern zurückführen.“

Damit ist die klare Frage, die im Sinne des Vorsorgeprinzips geklärt werden muß, diejenige, die auch die ULI in der Veranstaltung stellte:

„Wie ordnen Sie, Frau Dr. Heinrich, Ihre Aussagen, daß elektrische wie magnetische Felder einer HGÜ wie die des Ultranets „nicht von Belang“ seien, in den Zusammenhang der Empfehlung der Strahlenschutzkommission (SSK) ein.“ [ULI liest die nebenstehend farblich angestrichene Passage der SSK-Stellungnahme vom September 2013 aus einem bei der Veranstaltung ausliegenden Ansichtsexemplar vor.]

Die Antwort Dr. Heinrichs?

Sehr wortreich und schon dadurch wenig nachvollziehbar, sogar für die anwesenden Naturwissenschaftler mit medizinisch-professionellem Hintergrund und Erfahrungsschatz. Daher die klärende Nachfrage der ULI am Ende der länglichen Ausführungen Dr. Heinrichs:

„Sind also seitdem Studien im Sinne der vorgenannten Empfehlung der Strahlenschutzkommission durchgeführt oder in die Wege geleitet worden, ja oder nein?“

Antwort Dr. H. Heinrich: „Nein!“

Gesundheitspolitisch ist damit ganz klar nunmehr endlich das zu leisten, was die SSK bereits vor exakt vier Jahren in ihrer Stellungnahme und Empfehlung gefordert hat:

Ein Pilotprojekt wie dasjenige des Ultranets, das eine bisher noch nie in realiter umgesetzte Technologie nutzen möchte, nämlich die gemeinsame Führung von Hochspannungs-Gleich- und –Wechselstrom auf einem beide Leitungen tragenden Hybridmast …

… ein solches Pilotprojekt, das zum ersten Mal vom theoretischen „Rechenblatt“ in unsere Lebenswelt übertragen wird, muß vor dem unkontrollierten Feldversuch mit vielen 100 Trassenkilometern und einer Zahl von bis zu 1 Mio. betroffenen Anwohnern und Anwohnerinnen in sinnvoll aufgesetzten kontrollierten Studien über ausreichend lange Zeit mit ausreichend vielen Probanden dergestalt untersucht werden, daß alle aus wissenschaftlicher und gesundheitspolitischer Vorsorge-Sicht und Vorsorge-Pflicht relevanten Parameter möglichst umfassend und hochqualitativ untersucht werden.

Das Bundesamt für Strahlenschutz hat kürzlich einen solchen Forschungsauftrag erhalten.

Bis dieser durchgeführt ist und die  entsprechenden Studienergebnisse ausgewertet sind, muß es die vornehmste Pflicht der Bundesnetzagentur und aller gewählter Volksvertreter im Bund sein, Alte und Junge, Gesunde und bereits Vorgeschädigte wie Herz- oder Lungenkranke, Implantatträger, Schwangere und solche, die in Zukunft noch Kinder zeugen oder gebären können, sowie nicht-humane Mitgeschöpfe vor nicht ausreichend untersuchten und damit nicht ausreichend prognostizierbaren Auswirkungen einer Stromtrasse zu schützen.

Diese Zeit müssen und können wir uns als Gesellschaft mit Verantwortung füreinander und unsere Zukunft nehmen; zumal die HGÜ-Trasse Ultranet entgegen den Marketingversprechen des Vorhabenträgers Amprion den versprochenen Beitrag zur Energiewende frühestens im Jahr 2025 wird leisten können; und bis dahin plant, fossilen Braunkohlestrom von A nach B, durch Idstein hindurch zu transportieren – eine Energieform, die den Zielen der Energiewende komplett zuwiderläuft.

NACHTRAG:
Die Frage, die die ULI gerne noch an Dr. Heinrich gerichtet hätte, blieb leider aufgrund zunehmend tumultösen Veranstaltungsverlaufs ungestellt:

Wenn tatsächlich jede sachgerecht durchgeführte kontrollierte und ausreichend lange Studie mit aussagekräftiger „statistischer Power“ (wie es im Fachjargon heißt) nur bestätigen wird, daß keinerlei Gesundheitsbedenken zu gewärtigen sind, warum wehren sich die Vorhabenbetreiber und ihre Referenten dann derart vehement gegen die sachlich-wissenschaftlich nur folgerichtige und ganz nüchterne Forderung nach einem solchen Nachweis?

Alle Seiten hätten Ruhe bzw. könnten beruhigt sein, wenn man ihn erbrächte.

Daß man dies nicht zu tun bereit ist, hinterläßt einen schalen Geschmack.

Alexander Müller befürwortet 400m Abstand auch bei Bestandsleitungen

Auch die Stellungnahme von Alexander Müller möchten wir mit Ihnen teilen.

Sehr geehrte Frau […],

vielen Dank für Ihre Mail. Herr Lindner hat mir Ihre Frage weitergeleitet mit der Bitte um Beantwortung, da ich hier vor Ort direkt mit dem Thema Ultranet befaßt bin.

Mein Name ist Alexander Müller, ich wohne in Ihrem Nachbarort Niedernhausen und bin Bundestags-Direktkandidat der FDP.

Wir sind in engem Kontakt mit der überregionalen Bürgerinitiative gegen die Ultranet-Trasse, die auch hier in Niedernhausen sehr aktiv ist.

Der amtierende Bundestag (jetzige Periode) hat mit den Stimmen der Fraktionen von Martin Rabanus und Klaus-Peter Willsch entschieden, daß in Bayern für die neue Stromtrasse überwiegend Erdverkabelung angewendet werden soll, während Ultranet überwiegend auf den Bestandsmasten mitgeführt werden soll. Die FDP ist derzeit im Bundestag nicht vertreten.

Ich bin dagegen wie Sie der Überzeugung, dass es nicht verantwortbar ist, ungeprüfte Technik zu verwenden im Nah-Bereich zur bestehenden Bebauung, mit der Argumentation, die 400 Meter Mindest-Abstand seien ja nur bei Neubau-Projekten notwendig, hier jedoch handele es sich um eine Bestandsleitung. Die Technik der Übertragung ist eben eine ganz andere, und ohne die Sicherheit, dass es keine gesundheitlichen Auswirkungen gibt, müssen die 400 Meter aus meiner Sicht auch für Bestands-Masten gewährleistet werden.

Die Erdverkabelung gibt Ihnen allerdings lediglich etwas mehr akustische Ruhe. Elektromagnetische Felder wirken im Nahbereich der Leitung, unabhängig davon ob auf einem Mast geführt oder unter der Erde, solange Sie also die 400 Meter Abstand nicht haben, hilft Ihnen die Erdverkabelung auch nicht gegen die möglichen Folgen der elektromagnetischen Strahlungswirkungen. Deswegen plädieren wir dafür, die bewohnten Gebiete entlang der Ultranet-Trasse mit dem 400-Meter-Mindestanstand zu umgehen, möglichst unter der Erde, aber auf jeden Fall mit Gewährleistung des Abstands.

Wir haben gerade vorgestern [12.09.2017] im Kreistag Rheingau-Taunus einen Beschluß gefaßt, und die Kreisverwaltung aufgefordert, dass sie auf diese Mindestabstände hin wirken soll. In der Gemeindevertretung Niedernhausen haben wir beschlossen, zusammen mit den Nachbargemeinden eine Klage gegen Amprion zu prüfen, um unsere Forderungen durchzusetzen; auch die Stadt Idstein, in der Sie wohnen, hat sich dieser Initiative angeschlossen. Beide Beschlüsse sind maßgeblich durch unsere FDP-Initiativen erfolgt.

Wir hoffen, Ihre Fragen damit beantwortet zu haben, und stehen für weitere Fragen gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Alexander Müller

Bundestags-Direktkandidat 2017, FDP

Martin Rabanus teilt Sorge bezüglich Ultranet

Diese Stellungnahme von Martin Rabanus möchten wir mit Ihnen teilen.

Sehr geehrter Herr […],

haben Sie vielen Dank für Ihre Anfrage vom 7. September 2017. Ihre Besorgnis bezüglich Ultranet kann ich nur allzu gut nachvollziehen.

Das Thema Ultranet beschäftigt mich nun schon seit Längerem und selbstverständlich setze ich mich bestmöglich für meinen Wahlkreis und meine Region ein. Daher stehe ich auch mit den Bürgerinitiativen meines Wahlkreises zu Ultranet in ausführlichem Austausch.

Ich bin wie Sie der Meinung, dass eine akzeptable Lösung für die Betroffenen gefunden werden muss. Auch aus meiner Sicht darf es nicht sein, dass der gesetzlich vorgeschriebene Mindestabstand von 400 m zur geschlossenen Bebauung wie beispielsweise in Niedernhausen von Amprion nicht eingehalten wird.

Bei anderen Leitungen durch Thüringen und Bayern konnte der Mindestabstand aufgrund des starken Engagements der Bürgerinitiativen durchgesetzt werden. Daher unterstütze ich ihr Engagement sehr, ich selbst habe erst Mitte Juli eine gut besuchte Infoveranstaltung unter Anwesenheit von Expertinnen des Bundesamtes für Strahlenschutz sowie des Bundesministeriums für Umwelt zum Thema durchgeführt und mich ebenso bei Thorsten Schäfer-Gümbel für das Thema stark gemacht und ihm alle Sachstände aller Bürgerinitiativen – verbunden mit der Bitte um Einsatz auf Landesebene – zukommen lassen.

Zu den weiteren Schritten: Ich bitte Sie, ihr Anliegen ebenso an die Gemeinde zu richten, damit diese gegebenenfalls ein Rechtsgutachten einfordern kann, sofern Amprion die Alternativvorschläge abwiegeln sollte. Alternativvorschläge für Trassen müssen an Amprion direkt gerichtet werden, dies ist – aufgrund meiner Nachfrage bei Amprion – von den Bürgerinitiativen Idstein und Wallrabenstein bereits geschehen. Sicherlich gestaltet sich eine Alternative wie im Falle Niederhausens als sehr schwierig. Es drängt auf jeden Fall die Zeit: Amprion wird bis zum 13. November alle Unterlagen bei der Bundesnetzagentur eingereicht haben.

Bitte nutzen Sie in jedem Falle die Möglichkeit, während der einmonatigen Offenlegung der Unterlagen den Vorgang bzw. das Einbringen der Vorschläge sorgfältig zu prüfen. Der Betreiber Amprion muss in jedem Falle verpflichtet werden, alle eingebrachten Alternativen zumindest ergebnisoffen sorgfältig zu prüfen – an dieser Stelle kann auch gerne nachgehakt werden, wofür ich Ihnen auch meine Unterstützung anbiete.

In Sachen Ultranet ist es aus meiner Sicht besonders wichtig, dass alle Beteiligten an einem Strang ziehen und die Region mit einer Stimme nach außen spricht. Daher sollten wir uns kontinuierlich und diesbezüglich gegenseitig auf dem Laufenden halten.

Ich freue mich daher auf eine gute Zusammenarbeit und verbleibe vorerst mit freundlichen Grüßen

Martin Rabanus

MdB, SPD

Ehre, wem Ehre gebührt – aber auch nur dem

Der geplante Ersatzbau für die ehemalige KiTa Escher Bogen wurde gestern im Ortsbereit Idstein-Kern im Detail vorgestellt, genauso wie, Stunden später, die nochmals veränderte Fassadengestaltung der Neubauplanung für den Eingang der Rodergasse (aus Richtung Wiesbadener Straße auf der rechten Seite, an die Christophorus Apotheke anschließend).

Was soll man sagen, wenn man die beiden architektonischen Entwürfe nebeneinander legt, die der Investor Krieger + Schramm, Dingelstädt zusammen mit der Fa. Planquadrat, Darmstadt für das Altstadttor aus Richtung Niedernhausen kommend sowie die Fa. Bücher zusammen mit SHP-Architekten, Darmstadt für das Pendant aus Richtung Autobahn vorgelegt haben?

Copyright: SHP-Architekten, Darmstadt und Dietmar Bücher – Schlüsselfertiges Bauen, Idstein

Der eine hat eine altstadtgerechte Fassadengestaltung vorgelegt und sie jetzt nochmals verbessert, indem er mit einem Zwerchhaus einen direkten Bezug zur angrenzenden historischen Bestandsbebauung hergestellt hat. Der andere schlägt vor, die Gestaltungssatzung für Bauten in der Altstadt außer Kraft zu setzen und einen Querriegel aus Flachdachbauten wie eine moderne Trutzmauer der Stadt zu errichten – eher an die abwehrende und ausgrenzende Funktion einer Stadtmauer gemahnend als eine Einladung zum Betreten und Genießen der Altstadt auszusprechen.

Copyright: Planquadrat, Darmstadt und Krieger + Schramm, Dingelstädt

Ehre, wem Ehre gebührt

Die ansprechende und altstadtgerechte Variante ist für den Bau der Fa. Bücher entworfen worden – eine positive Überraschung für alle, die die gängigen Bücher-Bauten in Idstein zur Genüge (und für manchen vielleicht auch zu Verdruß und Überdruß) kennt.

Hier jedoch ist im offenbar konstruktiven und v.a. produktiven Diskurs zwischen Magistrat, Unterer Denkmalpflege und Bauherrschaft ein rundum überzeugender gestalterischer Entwurf gelungen, wie die ULI findet.

Das Zwerchhaus (bzw. die Lukarne) ist ein ein- oder mehrgeschossiger Aufbau eines geneigten Daches. Es hat einen Giebel und ein eigenes Dach. Der Zwerchgiebel steht in der Flucht der Gebäudeaußenwand. Dadurch unterscheidet sich das Zwerchhaus von der Gaube, die unabhängig von den Außenwänden auf dem Dach positioniert ist. Das Dach des Zwerchhauses ist häufig als Satteldach ausgebildet. Dessen First verläuft quer (zwerch) zum Dachfirst des Hauptdachs. Entsprechend stehen die Traufen von Zwerchdach und Hauptdach rechtwinklig zueinander. Das Zwerchdach kann aber auch als Flach-, Zelt-, Pult- oder Walmdach ausgebildet sein.

Quelle: Wikipedia

Warum die Ortsbeiratsmitglieder ihre Zustimmung zu diesem harmonischen Vorschlag der Fa. Bücher nicht konsequenterweise auch in satzungsgemäße Forderungen nach entsprechender Gestaltung, zumindest was die Dach- und Fensterformen angeht, den Planern des Escher Bogen-Neubaus gegenüber formuliert, bleibt der ULI auch nach der langen und emotionalen Debatte am 15. August ein absolutes Rätsel.

Daß man solche Forderungen nicht nur stellen, sondern diese aufgrund ihrer intrinsischen Legitimität im konstruktiven Dialog mit Bauherrschaft und Architekten umsetzen kann, zeigt das höchst positive Beispiel der Bücher-Planung in der Rodergasse. Wenn diese Forderungen nun von der Politik und vom Magistrat nicht auch für die ehemalige Kita Escher Bogen gestellt werden, dann liegt es nahe, das schlicht als fehlenden stadtplanerischen und politischen Willen einer altstadtgerechten Bebauung auch am zweiten Eingangstor der Altstadt zu verstehen.

Es bleibt in der politische Verantwortung und Pflicht der nachfolgenden beschlußfassenden Gremien Bau- und Planungsausschuß (am 22.08.2017 um 19.00 Uhr Stadthalle, Saal 3) und Stadtverordnetenversammlung (am 07.09.2017 um 19.00 Uhr Stadthalle, Saal 1), den sich abzeichnenden stadtplanerischen Fehler noch zu korrigieren, der aus fehlender Weitsicht, offenbar gewordener Unkenntnis über Geltungsbereich und Kriterienkatalog der Altstadtsatzung und inkonsequenter und inkonsistenter Einzelbetrachtung einzelner Bauvorhaben anstelle einer stadtplanerischen zusammenhängenden Gesamtsicht auf die Eingangstore der Altstadt zu dem gestrigen Abstimmungsergebnis des Ortsbeirats Idstein-Kern führte.

Fragen und Antworten zur Bürgerversammlung 28.06.2017

Damit das Protokoll der Bürgerversammlung vom 28. Juni 2017 zumindest partiell in einen erklärenden Zusammenhang gestellt wird, stellen wir nachfolgend unsere Fragen dazu online. Gleichzeitig möchten wir Allen danken, die uns tatkräftig mit zugesandten Fragen unterstützt haben.

Fragen der ULI:

Protokoll der Bürgerversammlung:

Erosion der Altstadtsilhouette soll weitergehen

Urlaubszeit, heiße Tage – alle freuen sich, mal nicht arbeiten zu müssen.

Alle?

Nein, an mindestens einer „Baustelle“ wird kräftig in der Stille des beobachtungsfreien Sommerlochs gewerkelt:

Um das weitere Schicksal des Grundstücks der ehemaligen Kindertagesstätte am Parkplatz Escher Straße (im Bogen gegenüber ehemaliges Tafelgelände/ehemaliger Tengelmann an der Schützenhausstraße) war es im Jahr 2015 verdächtig ruhig geworden war, nachdem sie über den Verlauf mehrerer vorangegangener Jahre ziemlich viele ziemlich stark in Atem gehalten hat. Auch hatte sich an der Planung für dieses Grundstück eine hohe Welle der Bürgerempörung ausgelöst.

Übergabe von 700 Unterschriften: Sonja Herden überreicht sie vor der Parlamentssitzung an Stadtverordnetenvorsteher Christian Herfurth (CDU) und Bürgermeister Gerhard Krum (SPD) (rechts).
Foto: wita/Martin Fromme Idsteiner Zeitung 18.05.2013

Der geplante Ersatz wird jedoch wiederum in keiner Weise den baulichen Gestaltungsrichtlinien entsprechen, die in der gültigen Bausatzung für diesen Bereich festgeschrieben sind.

Daß die Kindertagesstätte ersetzt werden soll, ist eine Chance für unsere Altstadt und könnte, wenn man sensibel mit der Planung der Neubebauung umginge zu einer Stärkung und Aufwertung dieses zweiten Eingangstores zum denkmalgeschützten Altstadtensemble werden.

Denn die „Stadtväter“ haben vor ca. 30 Jahren aus sehr gutem Grund auch den Bereich des Kita-Geländes in die damals entworfene Bausatzung mit einbezogen. Die Kita, gebaut 1975 und mithin vor Aufstellung der Gestaltungssatzung, war nun einmal wie sie war. Sollte sie aber jemals – wie jetzt geplant – ersetzt werden, so hat man den Gültigkeitsbereich der Bausatzung zur Gestaltung darauf angelegt, den Fehler der Vergangenheit, als den das Kita-Gebäude schon aus damaliger Sicht erkennbar gewesen sein dürfte, zu korrigieren: Die Gestaltungssatzung fordert bis auf den heutigen Tag, nur (Neu-)Bauten zuzulassen, die der Altstadtkulisse gestalterisch angemessen Rechnung tragen.

Die damalige Empörung hat sich dabei aus derselben Quelle gespeist wie derjenige Unmut, dem über 1.700 Bürgerinnen und Bürger durch ihre Unterschrift zur Wahrung der Altstadtsilhouette vor der Sommerpause der Stadtverordnetenversammlung (StVV) Ausdruck verliehen haben: Das bauliche Erscheinungsbild unserer aus sehr gutem Grund denkmalgeschützten Altstadt wird sukzessive von allen Seiten her sehenden Auges durch modernistische Bauten zerstört.

Denn die ehemalige Kindertagesstätte – wahrlich kein Ausbund an Ästhetik und altstadtgerechter Architektur – soll nun zwar etwas ersetzt werden.

Die Bausatzung zur Gestaltung der Altstadt hat somit nicht nur eine schützende und bewahrende Funktion im Bestand, sondern darüber hinaus auf dem ehemaligen Kita-Gelände auch eine korrigierende gestalterische Kraft. Das ist auch gut und richtig so, denn Bauwerke sind nun einmal auf lange Bestandszeit angelegt – und das, was heute „modern“ erscheinen mag, kann schon morgen allgemein als „Bausünde“ angesehen werden. Die ehemalige Kita selbst, ein typischer „Tischtennisplatten“-Bau, wie sie zu hunderten in den 1970er Jahren als „zukunftsweisende Moderne“ in Deutschland entstanden sind, ist hierfür  eindrückliches Beispiel genug.

Kaum ist diese Chance einer nachhaltig zukunftsfähigen gestalterischen Korrektur für Idstein endlich greifbar, ist die Stadt aber auch schon wieder dabei, sie zu verspielen:
Das Grundstück ist bereits an Krieger + Schramm verkauft, die Kita wird zur Zeit entrümpelt und soll laut Bericht der IZ vom 17.07.2017 ab dem 7. August abgebrochen werden. Was dann errichtet wird, hat mit „Altstadt“ maximal insofern etwas zu tun, als es an die modernistische Ausführung eines mittelalterlichen Bauwerks gemahnen mag: Hoch, unnahbar, abweisend, trutzig.

Diese Empfindung ist nicht nur eine subjektive. Daß die geplanten Immobilien auch objektiv nichts mit dem zu tun haben, was unsere schöne historische Altstadt ausmacht, leitet sich direkt aus der Tatsache ab, daß politisch geplant ist, den Geltungsbereich der Gestaltungssatzung abzuändern und das Kita-Gelände wieder herauszunehmen. D.h. in dem Moment, in dem das gestalterische Korrektiv endlich greifen könnte, nimmt man ihm mutwillig seine Wirkungsmacht, um den Investorenwillen – einmal mehr – zu erfüllen.

Ein weiteres Beispiel, das untermauert, daß Idsteiner Baupolitik keinem souverän erarbeiteten Plan folgt, sondern opportunistisch auf fragmentarische Einzelanforderungen Dritter (Geldgeber) reagiert, ohne eine eigene Agenda oder mittel- bis langfristige Strategie damit zu bedienen.

Stadtplanung und politisch-gesellschaftlich verantwortliches Handeln geht anders.

Die entsprechenden politischen Beratungen und Entscheidungen zur Neubebauung der ehemaligen Kita Escher Str. werden ab August geführt. Startschuß ist im Ortsbeirat am 15. August und, darauf folgend, im Bau- und Planungsausschuß am 23. August. Beide Sitzungen sind öffentlich und damit Pflichttermine für jede/n, der oder dem es am Herzen liegt, daß unsere Altstadt nicht nun auch noch vom letzten verbliebenen Eingang her, der Escher Straße/Weiherwiese, erodiert wird – nach „Neubau HL-Markt“, Neubauplanung in der Rodergasse und der noch offenen Causa „Marktplatz 6/Escher Str. 8 – 10“ und mit dem schon von der A3 das Stadtbild dominierenden Hoch7/Steinkaut-Ensemble.

Die hohe Identifikation der Menschen mit ihrer Stadt möchte er als Potenzial nutzen. Der neue Tegut mit Eine-Welt-Laden in der Schützenhausstraße mache deutlich, dass nichts unmöglich sei. Unmöglich wären für ihn als Bürgermeister hingegen hohe Bauten wie am Saarbrücker Platz. „Das wird es mit mir nicht geben.“ Auch das ehemalige Kita-Gelände an der Escher Straße müsse „behutsam entwickelt“ werden.

Christian Herfurth

in der Idsteiner Zeitung am 15.03.2013