Weihnachten 2024

Seit der Kommunalwahl 2021 gehört Dr. Birgit Anderegg der ULI-Fraktion in der Idsteiner Stadtverordnetenversammlung an und legt nun zum 15. Dezember 2024 ihr Mandat nieder.
Mit großem Engagement und Sachverstand arbeitete sie ebenfalls als Ausschussmitglied im KUBA (Klimaschutz-, Umwelt- und Betriebsausschuss) mit und gehörte als stellvertretende Stadtverordnetenvorsteherin dem Ältestenrat an. Darüber hinaus war Frau Dr. Anderegg im KAUN Kommunaler Arbeitskreis für Umwelt- und Naturschutz, der Kommission für Land- und Forstwirtschaft, im Abwasserverband Idstein, dem Arbeitskreis „Runder Tisch Stadtklima und Klimaanpassung“ und dem Fahrgastbeirat aktiv. Für ihre geleistete Arbeit bedanken wir uns bei Birgit Anderegg sehr herzlich.
Frau Dr. Anderegg wird auch weiterhin aktiv die Fraktion unterstützen und reicht nun den Fraktionsstaffelstab an Manuela Ferschke weiter.
Manuela Ferschke war bis 2022 als Mitglied im Stadtelternbeirat aktiv gewesen und vertritt die Unabhängige Liste seit Juli 2023 gemeinsam mit Stadtrat Joachim Mengden in der Lenkungsgruppe “KiTa-Gebührensatzung/Benutzungsordnung“.
Aufgrund dieser Erfahrungen und der Erfahrungen durch ihr Engagement bei der DLRG war es naheliegend, daß sie die Unabhängige Liste im AJKSS (Ausschuss für Jugend, Kultur, Sport und Soziales) vertreten wird. Wir wünschen ihr gutes Gelingen und viel Erfolg.
Manuela Ferschke
Dr. Birgit Anderegg
Bei allen Diskussionen rund um die Beibehaltung des Straßennamens der Rudolf-Dietz-Straße, ist uns wieder deutlich vor Augen geführt worden, dass alles Formale auch immer etwas Menschliches hat. Menschliches jenseits persönlicher Befindlichkeiten, die nichts zur Sache betragen.
Wir waren sehr überrascht und haben uns sehr gefreut, als wir unlängst in unser Email-Postfach schauten und dort eine Email vorfanden, aus der wir jetzt gerne zitieren:
Sehr geehrte Frau Oestreich und Mitstreiterinnen,
durch Zufall stieß ich auf Ihre Internetseite und las von Ihrem Einsatz für die Umbenennung der Rudolf-Dietz-Straße und damit auch von der Aufarbeitung der Idsteiner NS- Zeit insbesondere den Kalmenhof betreffend. Ich bin die Tochter von Pfarrer Siebert aus Heftrich und weiß von ihm von der Geschichte, ich war als Kind auch mit auf der Studienfahrt nach Polen, wo wir Herrn Skrzypek kennenlernten ( ich war allerdings viel zu klein um alles zu verstehen) .
Mir kamen ein paar Tränen in den Augen, als ich las, dass es sogar den Vorschlag gab, die berüchtigte Straße in Pfarrer- Siebert- Straße umzubenennen. Mein Vater hätte sich über diese Form von Anerkennung sehr gefreut! Nach so vielen Jahren gibt es im Idsteiner Raum immer noch Leute, die sich an sein Engagement erinnern, wie schön ist das!
Den nachfolgenden Antrag, die Straße nach Frau Ruth Pappenheimer zu benennen hätte er aber in jedem Fall noch besser gefunden. Die Erinnerung an eine von den Nazis Ermordete Kalmenhofinsassin hätte er natürlich viel wichtiger gefunden als an seine eigene Person.
Von meiner Seite wollte ich meine Rührung ausdrücken über diese Geste, mit ein paar Tränen und auch einem Lachen, weil – so kenne ich meinen Vater- ein unruhiger Geist , der nicht aufhört, ihm wichtige Botschaften, gegen das Vergessen, zu senden.
Herzliche Grüße aus Hamburg
Liebe Frau Oestreich, vielen Dank für Ihre nette Antwort!
Ich freue mich, dass ich durch Ihre Aktion wieder meine Erinnerungen wecke , z.B. an die Polenreise. Ich war zwar klein, aber ich hab doch verstanden, dass dort in Auschwitz das Allerschrecklichste passiert ist und zwar von Unvorstellbarem Ausmaß. Das hat mich auf jeden Fall nachhaltig geprägt. Und ich glaube, dass diese Reise für alle Teilnehmenden zur Entwicklung eines politischen Bewusstseins beigetragen hat. Ich kann mich gut an die Betroffenheit erinnern, an die Sprachlosigkeit in Anbetracht dieses Grauens. Und wie muss sich das angefühlt haben, nach der Rückkehr ins beschauliche Idstein, von einem Holocaustüberlebenden erfahren zu haben, dass dort in nächster Nähe die Nazi-Mordmaschinerie auch unvorstellbare Verbrechen begangen hatte.
Für meinen Vater war die Erinnerungspolitik sein Leben lang eine Herzensangelegenheit, und es waren für ihn doch auch immer die kleinen Dinge, die in der Summe zählen. Auf lokaler Ebene, im Dorf, bei den Nachbarn, im Konfirmandenunterricht-aufzuklären – Menschen zusammenbringen, Vorurteile abzubauen. Das hat er auch in seinen Predigten als Pfarrer immer versucht. Dadurch hat er sich nicht nur Freunde gemacht – im Idsteiner Umkreis, aber er liess sich nicht einschüchtern.
Herzliche Grüße in den schönen Taunus!
Im Jahr 1962 bestand auf der Ebene der westdeutschen Bundespolitik ein antifaschistischer Konsens. Im gleichen Jahr beschlossen der Magistrat unter Leitung von Bürgermeister Schreier und das Idsteiner Stadtparlament eine Magistratsvorlage, die die Benennung einer Idsteiner Straße in „Rudolf-Dietz-Straße“ zum Ziel hatte.
Nun, 62 Jahre später, hatten sich die Stadtverordneten mit der Umbenennung dieser Straße zu beschäftigen.
Voraus ging dem Ganzen am 22.11.2023 eine Informationsveranstaltung für die ca. 60 Anliegerinnen und Anlieger. Wie dem Protokoll der Veranstaltung zu entnehmen ist, nahmen sieben Anliegerinnen und Anlieger sowie zwei Vertreter der Eigentümergesellschaft neben etlichen Vertreterinnen und Vertretern aus Magistrat, Stadtverwaltung und Gremien teil. Weiter ist im Protokoll zu lesen, „dass sich die Anwohner mehrheitlich für den Weg des geringsten Aufwandes und der geringsten Kosten entschieden haben.“ Von einer historischen Betrachtung, geschweige denn historischen Verantwortung, einen ausgewiesenen Nationalsozialisten und Antisemiten mit einer Straßenbenennung nicht zu ehren, ist nicht die Rede – obwohl in der Veranstaltung sogar Beispiele der Schmähwerke des sogenannten Heimatdichters gezeigt wurden.
Die ULI hatte einen Änderungsantrag zur Namensänderung eingebracht, der zunächst die Umbenennung in „Pfarrer-Siebert-Straße“ zum Ziel hatte. Bereits im Ausschuss wurde das Thema Umbenennung sehr intensiv diskutiert. Mit großer Eindringlichkeit trug der Ortsvorsteher Idstein-Kern Dr. Brünger seine Position vor. Er bezeichnete sie als schwierig, da er abzuwägen hatte zwischen seiner persönlichen Einstellung und der Empfehlung des Ortsbeirates (der Ortsbeirat hatte mit Ja: 3 Nein: 8 Enthaltung: 0 die Umbenennung abgelehnt).
§ 2 Rechte und Pflichten
(1) Zu den vornehmlichen Aufgaben der Ortsbeiräte gehört es, die Beziehungen zwischen der Stadt Idstein und der Bürgerschaft zu fördern sowie Kontakte zu den im Ortsbezirk ansässigen Vereinigungen zu pflegen.
(2) Die Ortsbeiräte können zu allen Fragen, die den Ortsbezirk angehen, Anregungen und Vorschläge unterbreiten.
(3) Die Ortsbeiräte nehmen zu denjenigen Fragen Stellung, die ihnen von dem Magistrat oder der Stadtverordnetenversammlung vorgelegt werden.
(4) In wichtigen Angelegenheiten, die den Ortsbezirk betreffen, ist der Ortsbeirat zu hören. Angelegenheiten, die insbesondere als wichtige Angelegenheiten anzusehen sind, werden in einer zwischen dem Magistrat und den Ortsbeiräten abgestimmten Auflistung festgelegt.
(5) Zu allen Angelegenheiten, über die der Magistrat beschließt, ist der jeweilige Ortsbeirat zu unterrichten. Im übrigen sind alle Anhörungen und Unterrichtungen durchzuführen, die in den bestehenden Grenzänderungsverträgen geregelt sind.
Nun muss man wissen, dass die Beschlüsse des Ortsbeirates für den Magistrat und die Stadtverordnetenversammlung nicht bindend sind, aber bei den Beratungen eine wichtige Rolle einnehmen sollen. Eine wichtige Rolle hat die Empfehlung eingenommen, jedoch gaben ULI und Bündnis 90/Die Grünen der Diskussion neue Impulse. Wir wiesen sehr konkret auf die nationalsozialistische und antisemitische Haltung des Strassennamensgebers hin und darauf, welche Auswirkungen diese in der seinerzeitigen Gesellschaft Mitte/Ende der 1920er Jahre hatte. Dabei haben wir mehrfach betont, dass wir größten Wert auf ein Zusatzschild legen, das über die Hintergründe der Umbenennung informiert. Geschichtsvergessenheit läßt sich die ULI bestimmt nicht vorwerfen.
Die Argumentation gegen die Umbenennung bestand hauptsächlich in dem Versuch, die Person Pfarrer Sieberts zu diskreditieren; flankiert von der Unterstellung, die ULI wolle die nationalsozialistische Geschichte verschwinden lassen. Man solle sich doch auf die Umsetzung des Bürgerwillens und des Beschlusses des Ortsbeirates konzentrieren. Außerdem beschworen CDU und FDP mehrfach die vermeintliche Gefahr der steigenden Politikverdrossenheit, die sich angeblich zwangsläufig aus der Umbennung der Straße ergeben würde. Der Ausschuss empfahl der Stadtverordnetenversammlung mit fünf Ja-Stimmen, sechs Nein-Stimmen und zwei Enthaltungen die Umbenennung abzulehnen.
Zur Stadtverordnetenversammlung modifizierten wir unseren Änderungsantrag, dem sich Bündnis 90/Die Grünen und die SPD anschlossen und der somit als gemeinsamer Antrag eingereicht wurde.
Eine beschämende Diskussion nahm ihren Lauf. Je länger sie dauerte, desto würdeloser wurde sie. Unwahrheiten wurden verbreitet: „Es ist das Recht des Ortsbeirates, Straßen umzubenennen.“ oder „Die Geschichte soll negiert werden“. Wir wollten am liebsten manchem Stadtverordneten zurufen: „Sie dürfen nicht alles glauben, was Sie denken!“
Eine demokratische Entscheidung war selten so schwer auszuhalten.
Ich habe mich geschämt, ein Mitglied dieser Stadtverordnetenversammlung zu sein.
Unter kaum beherrschbaren Tränen verstieg sich der Fraktionsvorsitzende der FWG letztlich sogar dazu, um Vergebung im christlichen Sinne zu werben. Vergebung? Für einen Mann, der willentlich seine jüdischen Mitmenschen verunglimpfte und damit frühzeitig den Boden für den tödlichen braunen Antisemitismus bereitete? Der Adolf Hitler und den von den Nationalsozialisten propagierten Führerkult verehrte? Der junge Menschen indoktrinierte im Sinne des nationalsozialistischen, menschenverachtenden Weltbildes?
Gelebte Demokratie bedeutet aber natürlich auch: Abstimmungen erfolgen nur unter anwesenden Stadtverordneten. Es ist den Befürwortern der Umbenennung ULI, Bündnis 90/Die Grünen und SPD weniger gut gelungen, krank gemeldete Fraktionsmitglieder zur Erreichung der rechnerisch möglichen Mehrheit zu aktivieren als der CDU, deren entschuldigte Mandatsträger letztlich doch zur Abstimmung in die Stadthalle kamen. Diesen Fakt anzuerkennen, ist gerade bei einem so wichtigen Thema eine bittere Pille, aber demokratisches Gebot.
Die namentliche Abstimmung ergab 21 Stimmen gegen die Umbenennung und 20 Stimmen für die Umbenennung.
Das Ergebnis der namentlichen Abstimmung finden Sie am Ende des Beitrages.
Herr Stadtverordnetenvorsteher –
Liebe Kolleginnen und Kollegen –
Liebe Gäste –
Wir haben heute einen Punkt auf der Tagesordnung, der im Grundsatz schon lange in unserer Gesellschaft angekommen ist.
Wie stellen wir uns zu unserer deutschen Vergangenheit und deren Auswirkungen bis heute – was haben wir gelernt und verstanden – damit meine ich u. a. Ausgrenzung von Menschen aus den unterschiedlichsten Gründen.
Worüber beraten wir heute?
Wer wird seit Anfang der 60ziger Jahre mit einem Straßenschild in Idstein geehrt?
Rudolf Dietz wird uns heute als Lehrer, Schulbuchautor und Heimatdichter vorgestellt. Jedoch war er auch Mitglied der NSDAP und des völkisch-faschistischen, rassistischen und antisemitischen Deutschbundes. Seine bereits ab den 1920er Jahren publizierten antijüdischen Gedichte, bereiteten im Kleinen den Nährboden für das zunehmend um sich greifende Gedankengut des Nationalsozialismus.
Warum Nährboden? Es gab viele Rudolf Dietz in Deutschland.
Nach der Machtergreifung trat Rudolf Dietz in Schulen auf, um dort vor allem jene Gedichte vorzutragen, die die Diktatur stützten, Menschen jüdischen Religionsbekenntnisses aber verunglimpften. Um seine Gedichte vortragen zu können, diente Dietz sich offensiv bei den Nationalsozialisten und den regionalen Schaltstellen der Macht an sowie profitierte er auch wirtschaftlich von seiner Geisteshaltung.
Ruth Pappenheimer würde am 8. November 99 Jahre alt.
Sie galt dem NS-Regime als Halbjüdin, darüber hinaus wurde sie schon früh in das Schema der Asozialen eingepresst und nach dem frühen Tod der Mutter der Fürsorgeerziehung übergeben. Ruth Pappenheimer wurde im Alter von 18 Jahren kurz vor ihrer Entlassung aus der Fürsorgeerziehung auf den Kalmenhof verbracht und im dortigen Krankenhaus am 20. Oktober 1944 von dem Arzt Hermann Wesse durch die Verabreichung von Morphium-ermordet. Ihre Ermordung gilt als Beispiel dafür, dass auch geistig und körperlich vollkommen gesunde Kinder und Jugendliche im Kalmenhof ermordet wurden, wenn sie sich nicht in das NS-Rassekonstrukt einfügen ließen.
Ruth Pappenheimer wurde auf dem Kalmenhof-Friedhof anonym verscharrt. Die Lage ihres Grabes ist bis heute unbekannt.
Grund genug, um Ruth Pappenheimer stellvertretend für die vielen Ermordeten im Kalmenhof zu ehren.
Nichtsdestotrotz soll ein Zusatzschild über den historischen Hintergrund informieren und gleichzeitig den Wandel der gesellschaftlichen Haltung dokumentieren, der sich seit den 1960ziger Jahren vollzogen hat.
Um es ganz klar zu sagen:
Es geht nicht darum, vermeintlichen Bürgerwillen umzusetzen, dem es am Ende zu viel ist, persönliche Ausweispapiere und die Adresse zu ändern –
sondern, dass wir als Stadtverordnete für 12 Stadtteile abzuwägen haben.
Darüber hinaus ist es an der Zeit, sich nicht nur in Absichtserklärungen zu ergehen, sondern eine klare Position und Haltung aufkommenden populistischen Strömungen entgegenzustellen.
Wir alle anerkennen das Grundgesetz und bekennen uns damit zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, und damit folgerichtig auch jeder Diskriminierung eine scharfe Absage erteilt.
Ich bitte Sie von ganzem Herzen, sich unserem Antrag anzuschließen und mit einer großen Mehrheit auch ein Signal in die Idsteiner Stadtgesellschaft zu senden.
Die Stadtverordnetenversammlung hat am 16.05.2024 eine weitere Bürgschaft über 8 Mio. Euro beschlossen, mit 31 Ja-Stimmen, acht Nein-Stimmen und drei Enthaltungen.
Die Beschlussfassung erfolgte ohne ausreichend belastbare Informationsgrundlage in Bezug auf die wirtschaftliche Situation und Planung der ISF.
Zukünftige Entscheidungen der Stadtverordnetenversammlung bezüglich Restfinanzierungsbedarf und anderen politischen Aspekten, sollen auf einer angemessenen Datenlage beruhen.
Die hier nachgefragten Zahlen sind betriebswirtschaftlich gängige Praxis und sollten bei solider Geschäftsführung bis zum Beginn der Haushaltsberatungen vorgelegt werden können.
Das ist die nüchtern-faktische Begründung unseres jüngsten Antrags zur Causa Tournesol. Damit beantragten wir die eigentliche Selbstverständlichkeit belastbarer Tournesol-Geschäftsplanungsinformationen, als Grundlage zukünftiger Entscheidungen.
Auch wenn die ULI damit, einmal mehr, nicht die Mauer des bewussten Augen-zu-und-Durch der politischen Mehrheit aufbrechen konnte, sehen wir einen Teilerfolg:
Mit unserem nimmermüden Nachbohren, das Mantra-artige Lippenbekenntnis der „größtmöglichen Transparenz“ in Sachen Finanzlage/Finanzierung Tournesol auch wirklich mit faktisch Belastbarem unterlegt zu bekommen, spüren wir zunehmend, dass es für Politik und Verwaltung schwerer wird, sich den politisch nicht nur legitimen, sondern dringlich notwendigen Fragen der ULI zur Geschäftsplanung zu entziehen.
Als jüngster Höhepunkt wurde der o.g. Antrag der ULI gar nicht erst politisch beraten, sondern die Verwaltung (in Person des ebenfalls als ISF-Geschäftsführer agierenden Amtsleiters) bittet die Mitglieder des Haupt- und Finanzausschusses (HFWA) am 20.06.2024 eindringlich, doch zunächst die Stellungnahme der ISF zum ULI-Antrag zu lesen, dann habe sich der Antrag doch sicher erledigt. Entgegen der üblichen Vorgehensweise, Stellungnahmen direkt im Ausschuss vorzutragen, sollte die vielfach benannte ISF-Stellungnahme den HFWA-Mitgliedern erst mit dem Protokoll am 26.06.2024 zugänglich gemacht werden (obwohl sie bereits am 17.06.2024 verfasst worden war). Damit war ein politischer Austausch im dafür vorgesehenen Arbeitsgremium des HFWA beendet, bevor er auch nur begonnen hatte.
Was allerdings bereits im HFWA klar wurde, war die grundsätzliche Haltung zu jedem Versuch, Licht ins Tournesol-Finanzdunkel zu bringen:
Gerhard Dernbecher, zu Beginn der Wahlperiode noch FWG-Stadtverordneter, ist zwischenzeitlich Geschäftsführer der ISF. Dementsprechend erwartbar betont der FWG-Fraktionsvorsitzende Andreas Ott regelhaft, dass die Politik auf die Fähigkeiten der Geschäftsführung vertrauen könne und müsse, weitergehende Unterlagen der ISF für politische Entscheidungen also generell überflüssig seien.
SPD-Fraktionsvorsitzender Marius Weiß sekundiert eifrig, er sehe (laut öffentlicher Niederschrift TOP8) „die Transparenz als gegeben an“ – (16.07.2024: auf die schriftliche Bitte von Marius Weiß hin, haben wir das wörtliche Zitat entfernt).
Entsprechend hatten wir ULIs uns auf die Debatte in der Stadtverordnetenversammlung (StVV) am 04.07.2024 erneut umfassend vorbereitet, um doch noch weitere Fraktionen als die unser Anliegen unterstützende FDP davon zu überzeugen, dass unser Antrag nichts Unrechtmäßiges oder auch nur Ungewöhnliches fordere. Vielmehr fragt er schlicht und unverfänglich nach der Grundlage dessen, was andere gerne schlicht auf Treu und Glauben abnicken wollen.
Womit wir tatsächlich nicht gerechnet hatten, war die argumentative Hilflosigkeit, mit der die ULI in der StVV vermeintlich clever konfrontiert wurde:
In großer Einmütigkeit wurde der von der FWG-Fraktion eingebrachte Antrag, die ULI-Vorlage ohne Aussprache als erledigt zu erklären, von den Fraktionen von CDU, Bündnis 90/Die Grünen, FWG und SPD beschlossen. Begründet wurde der Antrag durch die mittlerweile vorgelegte ISF-Stellungnahme. Diese enthält viele Worte mit wenig Sachbezug und birgt eine sehr schlichte und einiges ungewollt offenbarende Botschaft: Die Geschäftsführung der ISF sieht sich nicht imstande, einen seriösen Geschäftsplan vorzulegen. Hauptgrund: Das Tournesol liefe noch nicht im Vollbetrieb und eine betriebswirtschaftliche Auswertung (= Rückschau, die von der ULI nicht gefragt war!) sei erst nach mindestens einem ganzen Jahr Betrieb möglich. Auch dann könne man in die Zukunft (um die es im ULI-Antrag geht) lediglich eine „Tendenzprognose“ abgeben.
Bei jedem nicht-kommunalen Unternehmen ist mit so einer Haltung die Insolvenz vorprogrammiert. Und für jede:n Gründer:in oder Unternehmer:in mit so einer achselzuckenden Haltung wäre jedes Investorengespräch sofort zu Ende. Ein solches Verhalten können sich kommunale Gesellschaften jedoch erlauben, wenn sie die politische Mehrheit auf ihrer Seite wissen, die sie verlässlich, am Tropf der Stadtkasse (und damit der Steuerzahler:innen) hängend, künstlich am Leben halten werden.
Und in der aktuellen Stadtverordnetenversammlung wird nun mal die Monstranz des „Wer-A-sagt-muss-auch-B-sagen“ von denjenigen Fraktionen stoisch weitergetragen, die begründete Sorge haben müssen, dass die finanziellen Entscheidungen in Sachen Tournesol von jeher auf tönernen Füßen gestanden haben. Da wird lieber mit zugekniffenen Augen gutes Geld dem schlechten hinterhergeworfen – und kaufmännisch Denkende wie die ULIs fühlen sich an den von Christian Morgenstern besungenen Palmström erinnert.
Unser Antrag wurde also ohne Aussprache für „erledigt“ erklärt, mit lapidarem Verweis auf die angebliche Nachvollziehbarkeit dessen, was bei Licht betrachtet eine arge Selbstentblößung der ISF-Geschäftsführung ist. So macht man unliebsame Stimmen (hier: der ULI) mundtot, wenn man keine Sachargumente hat. – Wenn es nicht um Unsummen von Steuergeldern ginge, könnte man über so viel politische Hilflosigkeit schmunzeln.
Für uns ULIs Bestätigung, dass wir auf dem richtigen Weg für einen umsichtigen Umgang mit öffentlichen Geldern und der Verantwortung, die ein politisches Mandat mit sich bringt, sind.
Palmström reist, mit einem Herrn v. Korf,
in ein sogenanntes böhmisches Dorf.
Unverständlich bleibt ihm alles dort,
von dem ersten bis zum letzten Wort.
Auch v. Korf (der nur des Reimes wegen
ihn begleitet) ist um Rat verlegen.
Doch just dieses macht ihn blaß vor Glück.
Tief entzückt kehrt unser Freund zurück.
Und er schreibt in seine Wochenchronik:
Wieder ein Erlebnis, voll von Honig!