ULI-Forderung nach gelebter Verantwortung im Gegenwind

Mehrheit des Klimaschutz- und Umweltausschuss lehnt Verantwortung bei Windparkvertrag ausdrücklich ab

Die Stadt Idstein ist auf dem Weg, Energie innerhalb der Gemeindegrenzen produzieren zu lassen. Nicht nur wird der Solarpark auf dem Rosenkippel wohl schon 2024 ans Netz gehen; auch ein Windpark soll entstehen. Auf das entsprechende Interessensbekundungsverfahren folgt jetzt die Aufnahme von Verhandlungen mit der Mainova für den Bau und Betrieb der Windkraftanlagen (WKAs).

Die ULI steht dem beträchtlichen Waldverlust, der mit dem Bau der WKAs und der notwendigen Zuwegungen einhergehen wird, sowie den Eingriffen in das Waldbodengefüge und seine Retentionsfähigkeit kritisch gegenüber. Dennoch: „Zur Demokratie gehört natürlich, dass man politische Beschlüsse auch dann konstruktiv in der Umsetzung begleitet, wenn sie die eigene politische Meinung nicht widerspiegeln“, positioniert ULI-Fraktionsvorsitzende Ursula Oestreich unser Fraktionshandeln für den weiteren Verlauf des Verfahrens. „Dies haben wir in den bisherigen Sitzungen zum Thema so gehalten und werden dies selbstverständlich auch weiterhin tun.“

Gleichzeitig hat die ULI aber alle Stadtverordnete auch an die Verantwortung erinnert, der sie als Mandatsträger:innen gerecht werden müssen – gerade bei einem so weitreichenden Großprojekt wie dem geplanten Windpark:

„Aus gutem Grund hat der Gesetzgeber weit vorn, in § 9 (1) der Hessischen Gemeindeordnung (HGO), die Aufgabe und Verantwortlichkeit der gewählten Gemeindevertreter beschrieben: Die Stadtverordnetenversammlung ist das oberste Organ der Gemeinde. Sie ‚trifft die wichtigen Entscheidungen und überwacht die gesamte Verwaltung‘, wie uns dort wörtlich ins Pflichtenheft geschrieben wird.“

In der entsprechenden Debatte des Klimaschutz-, Umwelt- und Betriebsausschuss (KUBA) am 31. Januar 2024 hat allerdings eine Mehrheit der Idsteiner Fraktionen ihrer entsprechenden Verantwortung nicht nachkommen wollen. „Es ist mir nicht gelungen, eine Mehrheit für unseren Änderungsantrag zu gewinnen, mit dem wir erreichen wollten, dass die Stadtverordneten den Vertrag mit der Mainova vor Unterschrift noch einmal zu sehen bekommen“, schüttelt unser KUBA-Mitglied Dr. Birgit Anderegg ebenso irritiert wie verärgert den Kopf.

Anderegg hat sich im KUBA engagiert dafür eingesetzt, den Magistrat bei den Vertragsverhandlungen mit der Mainova nicht komplett ohne die gesetzgeberisch festgelegte Kontrolle durch die Mandatsträger:innen agieren zu lassen.

„Auch wenn Bündnis 90/Die Grünen und FDP unserem Antrag gefolgt sind: Die Mehrheit aus CDU, SPD und FWG sah die ihnen gemäß § 9 (1) HGO auferlegte Verantwortung als erfüllbar an, wenn sie vor Vertragsunterschrift lediglich eine Synopse zur Kenntnisnahme erhalten.“

Anderegg, die beruflich regelhaft mit komplexen Vertragswerken zu tun hat, wies vergebens darauf hin, wie unzureichend so eine Kurzzusammenfassung ist, um womöglich problematische Vereinbarungen identifizieren und ausreichend informiert beurteilen zu können.

„Es ist schon äußerst befremdlich, dass gewählte Kommunalpolitiker:innen es mit ihrem Nein zum ULI-Antrag ausdrücklich ablehnen, sich die juristisch bindenden Bedingungen eines großen Millionen-Projekts vor Vertragsunterschrift noch einmal in angemessener Form vorlegen zu lassen. Die vorgebrachte Argumentation, so ein Vertragswerk sei sicherlich für die Stadtverordneten zu umfänglich und komplex, ist verantwortungslos“, befindet Oestreich.

Halbzeit !

Halbzeit !

Mit der aktuellen Sommerpause 2023 ist in etwa die erste Hälfte der aktuellen Wahlperiode bereits durchschritten, der ersten Wahlperiode, in der auch wir ULIs im Stadtparlament sitzen und uns nach Kräften bemühen, mit eigenen Innovationsimpulsen sowie diskursiven Beiträgen zu den Anträgen anderer Fraktionen die Zukunft für die Idsteinerinnen und Idsteiner enkeltauglich gestalten zu helfen.

Zur Erinnerung:

Die ULI hat sich gegründet, und ist zur Kommunalwahl 2021 das erste Mal angetreten, um für Idstein politisch etwas zu bewirken, das nicht für oder gegen ein bestimmtes politisches Dogma steht, sondern das durch neue Idee und andersartige Perspektiven versucht, politische Wirkkraft zu entwickeln, die für möglichst viele Idsteinerinnen und Idsteiner einen positiven Effekt hat.

Schon in der vergangenen Wahlperiode, in der wir nur aufmerksam während der Gremien zuhören, aber keine eigenen Ideen und Lösungsvorschläge vortragen durften, kam es uns ULIs so vor, als gäbe es nur einige wenige Themen, die die Fraktionen reiten, ohne aber die großen, komplexen Aufgaben anzugehen, die die Weichen für ein auch zukünftig gutes Leben in dieser Stadt mit ihren kleinen und größeren Ortsteilen stellen.

Solche großen Themen, die nicht in einem Wurf, mit einem einzigen Antrag zu adressieren sind, hat die ULI sich nicht gescheut, in ihr Wahlprogramm aufzunehmen. Seit wir unsere vier Mandate innehaben, arbeiten wir stetig mit viel Energie daran, diese dicken Bretter (neben allen anderen) auch zu bohren. Als Beispiel seien die Punkte „Lichtverschmutzung“ und „Bürgerräte“ genannt, für die wir auch außerhalb der politischen Gremien über entsprechende ULI-Veranstaltungen Sensibilität und verantwortungsvolles Handlungsbewusstsein schaffen.

Dass politische Mit-Gestaltung gerade für die ULI als eine der kleineren Fraktionen kein einfaches und ein oftmals mühevolles Unterfangen werden würde, war uns klar.

Wie ernüchternd es aber ist, immer ergebnisoffen in die Diskussionen unserer eigenen wie der Anträge der anderen Fraktionen zu gehen und zu versuchen, über eine echte und respektvolle Debattenkultur gemeinsam mit den anderen Fraktionen, um das beste und möglichst breit tragende Ergebnis zu ringen, war nicht absehbar.

„Stell Dir vor, Du hast nur das Ziel, völlig frei von Machtansprüchen und -allüren das Beste für die Bürgerinnen und Bürger dieser Kommune erarbeiten zu wollen, und keiner macht mit.“

Das mag etwas überspitzt an den alten Sponti-Spruch angelehnt sein, trifft aber unser zunehmend ärgerliches Erleben und Beobachten der Stadtpolitik bedauerlicherweise ziemlich gut:

Politische Mehrheiten bilden sich selten als Ergebnis von Denk-, Diskurs- und Debattenarbeit in den Ausschüssen und dem Stadtparlament, sondern selbst auf kommunaler Ebene erstaunlich oft aufgrund von Parteiräson und profaner Arithmetik, „gerne“ auch schon im Vorfeld der Debatte ausgehandelt.

Anträge, deren Umfang und Komplexität des womöglich resultierenden Auftrags an die Verwaltung über das ganz kleine Karo hinausgehen, werden regelhaft abgelehnt. Argument: Für so etwas habe die Verwaltung keine Kapazität (man spürt durchaus, dass „Kapazität“ eigentlich für ein anderes Wort steht…).

Merke: Die ULI ist die einzige der sechs Fraktionen in der Idsteiner Stadtverordnetenversammlung, die sich ausschließlich auf Idstein konzentriert und in keiner Form auf höherer politischer Ebene weisungsgebunden ist und/oder wie auch immer geartete Rücksichten auf z.B. bevorstehende Kreis-, Land- oder Bundestagswahlen nehmen muss.

Dazu passt, dass jede der anderen Fraktionen zwar stolz die schiere Anzahl der eigenen Anträge in jeder Haushaltsrede zum Jahresende auflistet. Die tatsächliche Umsetzung dieser Anträge hält jedoch keine dieser Fraktionen konsequent nach. Der gestalterische Effekt verpufft daher, ehe er auch nur gezündet wurde.

Selbst Prüfanträge, für die das ungeschriebene parlamentarische Gesetz gilt, dass man sie nur bei sehr schwerwiegenden Einwänden nicht mitträgt, können mittlerweile regelhaft nicht mehr als Basis für weiteres politisches Handeln eingesetzt werden: Die Verwaltung prüft prinzipiell dergestalt, dass nicht neutral-sachlich berichtet, sondern eine klare Empfehlung abgegeben wird; und dies sogar dann, wenn der Auftrag klar lautet, lediglich über technisch-faktische Machbarkeit zu berichten.

Meinungsbildung der Mandatsträger:innen qua Verwaltungsbericht – mehr als eine Fraktion fragt mittlerweile schon vor Eintritt in eine politische Debatte, manchmal sogar schon, bevor die antragstellende Fraktion ihren Antrag begründen durfte, was denn die Verwaltung von dem jeweiligen Vorschlag halte. „Ich möchte gerne die Verwaltungsmeinung hören, damit ich mein Abstimmungsverhalten danach ausrichten kann“, hat die ULI nicht nur einmal befremdet vernommen.

Die neueste Unsitte, die in den Gremien Schule zu machen beginnt (obwohl das ihrer Rolle als demokratischem Arbeits-Instrument widerspricht): Ein Magistratsmitglied verliest vor Eintritt in die politische Debatte einen von der Verwaltung erstellten Kurzbericht, oft genug (zeit-)notgedrungen kursorisch recherchiert. Daraufhin erklärt ein oder eine Stadtverordnete den Antrag umgehend für „erledigt“. Die antragstellende Fraktion, die womöglich noch gar keine Gelegenheit zur Begründung hatte, kann ihren Antrag damit vergessen. Die anderen Fraktionen haben vor dem Antrag ihre „Ruhe“, anstatt sich mit ihm auseinanderzusetzen und ihn, wenn sie ihn nicht mittragen oder mehrheitsfähig abändern können, zumindest in einem sauberen demokratischen Prozess abzulehnen.

Der Dreiklang aus mehrschichtigen Abhängigkeiten innerhalb verschiedener Partei-Ebenen (Kommune, Kreis, Land, Bund) sowie der gebetsmühlenhaft vorgetragenen Ressourcenknappheit der Verwaltung und, schließlich, der fehlenden politischen Bereitschaft zur verwaltungsunabhängigen eigenen politischen Einordnung und Bewertung von neutral und ohne Einflussnahme zur Verfügung gestellten Fakten, Sachlagen und Gegebenheiten führen dazu, dass sich die Rollen der Akteure „Politik“ und „Verwaltung“ umkehren:

Sieht auch das Regelwerk der Hessischen Gemeindeordnung vor, dass politischer Gestaltungswille durch Verwaltungshandeln realisiert wird, so sind die Vorzeichen in Idstein oftmals exakt umgekehrt: Politische Ideen, von denen anzunehmen ist, dass sie Kapazitäten aus dem laufenden Tagesgeschäft der Verwaltung benötigen, werden entweder in vorauseilendem Gehorsam schon von den Stadtverordneten selbst abgelehnt – oder nehmen den Umweg über die Verwaltung, die entsprechende Negativempfehlungen ausspricht, wohl wissend, dass eine gute Chance besteht, dass eine Mehrheit der Stadtverordneten nachgerade dankbar ist, wenn sie sich keine eigene, womöglich anderslautende politische Meinung differenziert erarbeiten muss.

Es wundert mithin nicht, dass die Fraktionen immer weniger Anträge überhaupt noch selbst in die Sitzungsläufe einbringen. Die FDP bildet das parlamentarische Schlusslicht mit nur drei Anträgen, die sie seit 2021 überhaupt formuliert hat. CDU, Bündnis 90/Die Grünen und SPD tragen eine Handvoll Anträge seit zum Teil bereits zwei Jahren immer und immer wieder vor und bringen sie letztlich, über Zermürbungstaktik, dann irgendwann durch. Und die FWG … nun, schauen wir auf die letzte, durchaus archetypische Gremienrunde vor der aktuellen Sommerpause:

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Dazu passt, dass jede der anderen Fraktionen zwar stolz die schiere Anzahl der eigenen Anträge in jeder Haushaltsrede zum Jahresende auflistet. Die tatsächliche Umsetzung dieser Anträge hält jedoch keine dieser Fraktionen konsequent nach. Der gestalterische Effekt verpufft daher, ehe er auch nur gezündet wurde.

Selbst Prüfanträgen, für die das ungeschriebene parlamentarische Gesetz gilt, dass man sie nur bei sehr schwerwiegenden Einwänden nicht mitträgt, können mittlerweile regelhaft nicht mehr als Basis für weiteres politisches Handeln eingesetzt werden: Die Verwaltung prüft prinzipiell dergestalt, dass nicht neutral-sachlich berichtet, sondern eine klare Empfehlung abgegeben wird; und dies sogar dann, wenn der Auftrag klar lautet, lediglich über technisch-faktische Machbarkeit zu berichten.

 

Fraktion Antragsnr. / Jahr Thema Abstimmungsergebnis
FDP
FWG
CDU Nr. 231 aus 2022 Resolution Sanierung von Bahntunnel,Straße Wörsdorf einstimmig angenommen, 3 Enthaltungen (u.a. ULI) Grund für Enthaltungen: Stadt Idstein hat keine Hoheit, Entscheidungsbefugnis über geforderte Maßnahmen
Bündnis 90/Die Grünen Nr. 157 aus 2023 Stolperschwelle Kalmenhof einstimmig angenommen
Bündnis 90/Die Grünen Nr. 147 aus 2021 Ideenwettbewerb Bebauung Wagenerstr. mehrheitlich abgelehnt 4/9/0
Bündnis 90/Die Grünen Nr. 158 aus 2023 Aufwertung Wohnmobilhafen gekürzt auf 2 von 5 Punkten, so gekürzt einstimmig angenommen
Bündnis 90/Die Grünen Nr. 316 aus 2021 Effektive Parkraumbewirtschaftung zurückgestellt
Bündnis 90/Die Grünen Nr. 118 aus 2023 Ergänzung Stadtbusverkehr erledigt durch Beschluß im Feb 2023
SPD Nr. 159 aus 2023 Erstellung Ruhebank-Kataster einstimmig zugestimmt
SPD Nr. 133 aus 2023 Umsetzung des gemeinsamen Antrags aller Fraktionen aus Feb 2023 einstimmig zugestimmt, daß der gemeinsam eingeschlagene Weg fortgeführt wird
ULI Nr. 061 aus 2023 Beantragung Fördermittel f. kommunalen Wärmeplan zurückgestellt, da ULI beleghafte Substantiierung der negativen Stellungnahme der Verwaltung fordert. In der StVV für erledigt erklärt, aufgrund des Zeitverzuges.
ULI Nr. 153 aus 2023 Verkehrsführung Wohnmobil-Hafen nicht aufgerufen wegen Länge der vorherigen Debatte im Ausschuss
ULI Nr. 152 aus 2023 Prüfantrag „Regionalwährung“ durch Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimme der ULI für erledigt erklärt wg. Negativ-Empfehlung d. Verwaltung
ULI Nr. 156 aus 2023 Prüfantrag „Möglichkeiten zur Attraktivierung Mehrweg-Verpackung bei ToGo“ zurückgestellt, da Verwaltung zunächst „andere Option“ prüfen möchte

Die ULI wird nicht müde werden, komplexe Themen zu adressieren und auch (uns ULIs) wenig überzeugende Anträge anderer ernsthaft auf das Potential zu Änderungsformulierungen zu prüfen, die den jeweiligen Antrag vielleicht zu einem für uns zustimmungs- oder insgesamt mehrheitsfähigen abändert.

Ob das geschilderte politische Procedere tatsächlich ein geeignetes ist, um Idstein auch über den Tag hinaus, für die kommenden Generationen, finanziell solide und mit klarem Blick für zukunfts- und krisensichere infrastrukturelle, soziale, ökologische und wirtschaftliche Herausforderungen aufzustellen, werden wir ULIs dabei immer wieder hinterfragen.

Die ULI ist nicht angetreten, um wohlfeile Versprechen abzugeben. Das müssen wir auch nicht, denn es drängt uns nicht in Kreis- oder Landtagsparlamente, es drängt uns nicht zur Macht um der Macht willen. Es drängt die ULI nur danach, vorausschauend und mit Augenmaß Idsteiner Lösungen für solche Themen zu finden, die uns als Gesellschaft im Großen wie im Kleinen zunehmend angehen.

Nicht atemlos durch die Nacht, sondern ohne Pause durch den Sommer

Bevor alle gewählten Kommunalpolitiker:innen am 21. Juli in die politische Sommerpause gehen, hat die ULI, die ja als Wählergemeinschaft ein eingetragener Verein ist, schon wieder Neues in den Blick genommen.

„Die ULI“, das sind ja deutlich mehr engagierte Bürger:innen, über die vier Stadtverordneten und „ihren“ Stadtrat hinaus. Letztere wurden von den Wähler:innen mit einem Mandat (von mandare = geben, anvertrauen) ausgestattet. Die vielen Vereinsmitglieder ohne ein solches Mandat stellen die Basis dar, die mit ihren Ideen und ihrer wertvollen und kreativen Arbeit im Hintergrund wie auch mit ihrem kritischen Denken die Fraktion entlastet und ihr als „Testfeld“ in der internen Debatte zur Verfügung steht.

Das hilft enorm beim Nachdenken über das, was für Idstein sinnvoll sein kann, um es über die Breite der Themen und Aufgaben für die Zukunft stark aufzustellen. Und von diesem lösungsorientierten Nachdenken gibt es natürlich auch keine Pause. Schon gar nicht nur, weil es Sommer ist: Wenn andere Urlaub vom Alltag machen, konzentriert sich die ULI noch mehr als sonst auf ihre selbstgewählte gesellschaftliche Aufgabe nach unserem Motto „Weder rechts, noch links, sondern gerade(her)aus für Idstein“.

Und so haben wir unsere diesjährige Jahreshauptversammlung nicht nur für die formellen Dinge genutzt, die in so einem Verein nun einmal notwendig sind.

Sondern wir haben zudem mit viel Engagement etliche wichtige Themen besprochen, jeder und jedem ULI Denk- und Arbeitsaufgaben über die nächsten Wochen mit auf den Weg gegeben und so unsere Veranstaltungen, Aktivitäten und Pläne für das zweite Halbjahr 2023 in die konkrete Umsetzungsplanung gebracht.

Und eine richtige gute Zeit hatten wir dabei auch noch; denn Selbstwirksamkeit zu spüren, ist eine tolle Sache!

Für die ULI normal, aber absolut gesehen eigentlich schon etwas ganz Besonderes, so dass wir es auch an dieser Stelle gerne noch einmal erwähnen: Über die Altersspanne unserer Mitglieder hinweg, die fast exakt 50 Lebensjahre beträgt, arbeiten wir ULIs nicht nur auf Augenhöhe und super konstruktiv miteinander, sondern wir lachen auch viel miteinander und können immer sicher sein, dass prinzipiell niemand belächelt wird.

Unser Lachen verbindet uns.
Unser Lachen befreit unser Denken.
Befreites Denken ermöglicht innovative politische Angebote für Idstein.

Was daraus für unsere Politik für Idstein konkret entsteht, gibt’s ab Anfang September zu sehen.
Wir denken: Es KANN sich einmal mehr sehen lassen.

Zu spät und nicht zielführend

Zu spät und nicht zielführend

In der Stadtgesellschaft wie auf den sozialen Medien machen seit dem Fahrplanwechsel und der Einführung des neuen sogenannten On-Demand-Busverkehrs „EMIL“ die Nutzer: innen des innerstädtischen ÖPNVs ihrem Unmut Luft:

Seitdem neuerdings die Busse der Linien 221 und 222 nur noch ein temporäres Ergänzungsangebot zur Grundversorgung durch EMIL darstellen, ist Busfahren in der Kernstadt für viele Fahrgäste unbequemer, teurer und zum Teil sogar unmöglich geworden: Wer nicht über ein Smartphone und unbare Zahlmöglichkeiten verfügt, wer mit Rollator zwischen 9 und 13 Uhr oder am Wochenende Bus fahren möchte, der wird dies nicht mehr ohne weiteres tun können, denn zu diesen Zeiten fahren nur zwei EMIL-Kleinbusse im Stadtgebiet herum. Diese wollen per App gerufen und unbar bezahlt werden und nehmen Rollatoren (wie auch Kinderwagen, Hunde und ähnliches „Sperrgut“) nicht mit.

Sowohl die CDU als auch die FWG haben sich bereits mit empörtem Unterton den Beschwerden der Bevölkerung angeschlossen: Die CDU sprach von einem „Fehlstart“ und „systemischen Fehlern“ und fordert „schnelle Abhilfe“, die sie sich vom sogenannten Fahrgastbeirat erhofft, den sie schnell zur „Heilung“ des eigenen Fehlers beantragt hat. Auch die FWG fordert „eine schnelle Verbesserung im Idsteiner Stadtbusverkehr“ und sieht dabei den Bürgermeister in der Pflicht, „konkrete Maßnahmen“ zur „Verbesserung der aktuellen Mißstände“ umzusetzen.

Bei so kurzem Gedächtnis der Kolleg: innen aus anderen Fraktionen will die ULI doch mal kurz an die langwierigen Debatten zum Thema in mehreren stundenlangen Gremien- und Sondersitzungen vor einem Jahr erinnern. Am Ende dieser Diskussionen hat der mehrheitliche politische Wille zur Einführung des originär von der SPD vorgeschlagenen Systems gestanden, das nun lautstark beklagt wird. Da der „Fehlstart“ schon damals absehbar war, haben wir das nun grandios auf den Bauch gefallene Konzept nicht mitgetragen und statt dessen nachdrücklich für eine Alternative geworben, in der EMIL nicht das Rückgrat des Busangebots gebildet hätte.

Es ist schon bemerkenswert, daß die Fraktionen der CDU und der FWG erst jetzt – nach erfolgter Vergabe und Umsetzung – verstehen, daß das mit ihren Stimmen verabschiedete Konzept für die Neuordnung des Stadtbusverkehrs nicht funktionieren kann. Von Anfang an haben der Stadtverordnete Patrick Enge (Bündnis 90/Die Grünen) und die Autorin mit viel Engagement zu verdeutlichen versucht, daß ein sinnvolles, für die Nutzenden akzeptables Stadtbuskonzept weiterhin auf der Grundversorgung durch die Linien 221 und 222 aufsetzen muß; und daß der neue und durchaus zukunftsweisende Baustein des EMIL lediglich ein Zusatzangebot darstellen sollte – nicht umgekehrt. Weiter erinnert sich die Verfasserin an das zähe Ringen um eine ausreichend attraktive Neuordnung des Busverkehrs in der Kernstadt.

Es ist schon tragisch, denn EMIL hätte einen tollen Start verdient gehabt: Das On-Demand-System kann nämlich vor allem in den Ortsteilen und bei deren Verbindung untereinander und mit der Kernstadt eine wichtige Rolle spielen. Es wäre höchst bedauerlich, wenn EMILs wichtiges infrastrukturelles Potential für die Ortsteile ohne Not durch die politisch vermurkste Kernstadt-Premiere verbrannt würde. Immerhin hat die ULI eine möglichst rasche Umsetzungsprüfung für alle Ortsteile noch erfolgreich in dem ansonsten wenig vorausschauenden politischen Beschluß unterbringen können.

Die Einrichtung eines Fahrgastbeirats, der jetzt von CDU und FWG offenbar mit viel Hoffnung aufgeladen wird, haben wir als ULI-Fraktion nicht mitgetragen. Ein solcher Beirat wird keinerlei Weisungskompetenz oder auch nur Mitspracherecht gegenüber der Busbetreibergesellschaft RTV haben. Somit wird er lediglich eine nicht zielführende Mehrbelastung für die Verwaltung der Stadt Idstein bedeuten.

„Sich der mangelnden Weitsicht des SPD-Antrags zunächst anzuschließen und die Alternativoption zu verwerfen, nun aber lautstark die verbale Faust gegen die Umsetzung des eigenen Votums zu schütteln, erscheint schon recht populistisch“, konstatiert ULI-Fraktionsvorsitzende Ursula Oestreich. „Eine Korrektur der auf 8 Jahre an die RTV vergebenen Leistung ist jetzt nicht mehr ohne weiteres und schon gar nicht kurzfristig möglich. Das zeigt schon ein Blick auf die fehlenden Haushaltsmittel, die keine signifikanten Leistungszubuchungen in 2023 erlauben (Leistungsrücknahmen sind ausgeschlossen). Daran wird auch die geforderte Delegation an einen nicht ermächtigten Beirat oder den Bürgermeister, der hier ebenfalls keine Zuständigkeit besitzt, nichts ändern.“

Kein Griff in die Tasche der Bürger: innen

Alljährlich um diese Zeit planen Verwaltung und Politik die Ein- und Ausgaben des kommenden Jahres. Hierbei wird der Haushalt der Stadt Idstein von seinem Eigenbetrieb, den Stadtwerken, betrachtet, die einen eigenständigen Wirtschaftsplan vorlegen. Dieser muss allerdings wiederum vom politischen Gremium der Stadtverordnetenversammlung genehmigt werden.

Zum Wirtschaftsplan 2023 gibt es in mindestens einem Punkt einen politischen Dissens, der allerdings nicht im öffentlich zugänglichen Protokoll abgebildet wird. Dort heißt es nur lapidar:

„Zu Beginn erfolgen Ausführungen zum Wirtschaftsplan 2023 durch Herrn Viehböck und Herrn Wilz. Es folgen Wortbeiträge und Fragen, die durch die Verwaltung beantwortet werden.“

Die erwähnten Wortbeiträge waren der Versuch der ULI einer politischen Debatte, auf die sich aber die große Mehrheit der Gremienmitglieder der zwei beratenden Ausschüssen nicht einließen. So wurde, durch Debattenblockade, eine politische Entscheidung getroffen, die im Zweifelsfalle nicht zum Wohle der Bürger:innen Idsteins ist.

Um was geht es genau?

Die ULI hat, wie bereits im letzten Jahr, dringlich dafür plädiert, die sogenannte Eigenkapitalverzinsung der Stadtwerke nicht zur Ausschüttung an die Stadt einzuplanen. Eine solche Ausschüttung kann man vornehmen, muss es aber nicht.

Wenn man ausschüttet, verringert sich der Eigenmittelbestand der Stadtwerke entsprechend, und zwar nicht unerheblich. In den beiden vergangenen Jahren wurden so jeweils ca. EUR 300.000 an die Stadt transferiert, was die Liquidität der Stadtwerke entsprechend schmälerte.

Nun argumentieren andere Fraktionen, durch die Natur der Stadtwerke als Eigenbetrieb sei eine Ausschüttung an die Stadt ein Nullsummenspiel. Das ist aus gleich mehreren Gründen unzutreffend:

„Bei ihrer Ausschüttung ändert die kalkulatorische Größe der Eigenkapitalverzinsung ihren Charakter“, erläuterte die Fraktionsvorsitzende der ULI, Ursula Oestreich, im Haupt-, Finanz- und Wirtschaftsausschuss. „Sie wird in dem Moment zu einem Gewinn im steuerlichen Sinne, d.h. beim Wechsel von der sprichwörtlichen rechten in die linke Tasche geht ein mittlerer fünfstelliger Betrag an zu zahlenden Steuern schlicht verloren.“

Des Weiteren ist geplant, den großen Sanierungsstau im Bereich Wasserversorgung ab 2023 durch die Stadtwerke anzugehen. So erfreulich und politisch wünschenswert dies ist, so ungünstig sind gleichzeitig die aktuellen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen: Inflation, Kostensteigerungen im Baugewerbe, steigende Zinssätze verteuern die geplanten Maßnahmen. Je höher der Bestand an liquiden Mitteln bei den Stadtwerken ist und bleibt, desto weniger groß das Kreditvolumen, das teuer verzinst aufgenommen werden muss, um die geplanten Investitionen zu stemmen.

„Schon aus diesem Grund sollte kurz- bis mittelfristig den Stadtwerken keine Liquidität entnommen, sondern – ganz im Gegenteil – ein solider Bestand an Eigenkapital auf- und ausgebaut werden“, folgert Oestreich konsequent.„Denn schließlich sind die Rücklagen in erster Linie dafür da, die Gebührenzahlenden so gut wie möglich vor Gebührenerhöhungen zu schützen. Wenn wir die in der Vergangenheit regelhaft betriebene Ausschüttungspraxis in der aktuellen gesamtwirtschaftlichen Situation nicht beenden, zahlen unsere Mitbürger: innen am Ende eine hohe Zeche für das Handeln der Stadtverordneten.“

Die ULI spricht sich daher auch weiterhin klar gegen die regelhaft eingeplante und umgesetzte Ausschüttung der Eigenkapitalverzinsung aus.